Mutter bei die Fische
und hieà ihn herzlich willkommen. Dann verzog er sich wieder in die offene Küchenzeile und brutzelte etwas appetitlich Duftendes unter der riesigen silbernen Abzugshaube.
»Du bleibst doch zum Essen?«, erkundigte sich Grit und setzte sich in einen bequemen Liegesessel, der direkt vor dem Fenster stand. Sie lächelte Falk an, merkte aber schnell, dass ihn etwas bedrückte.
»Wie lange dauertâs noch?«, rief sie Piet zu, der mit dem Kopf wackelte und etwas von »zehn Minuten« murmelte.
Daraufhin hatte Grit sich ein übergroÃes Sweatshirt von Piet geschnappt und Falk mit nach drauÃen auf die hölzerne Veranda gezogen.
»Hast du Stress mit Gina?«, war Grit mit der Tür ins Haus gefallen.
Falk hatte genickt und ihr von seinem Heiratsantrag erzählt. Und davon, dass Gina weder ja noch nein gesagt hatte.
Falk war seiner Mutter dankbar dafür, dass sie jetzt nicht weiter auf das Thema einging. Stattdessen beugte sie sich über das Geländer der Terrasse und sah zum Meer hinaus. Das Hochwasser kam, in etwa zwei Stunden würde es seinen höchsten Stand erreicht haben, und wie immer, wenn Vollmond war, tobte die Nordsee besonders wild. WeiÃe Schaumkronen bis zum Horizont, und je länger Falk auf das bewegte dunkelgrüne Wasser starrte, desto ruhiger wurde er. Er beobachtete die Wellen, wie sie begannen, sich an einer Seite zu brechen, und dann in einer langen Linie weiÃer Gischt am Strand ausliefen. Wie kleine weiÃe Schaumfinger krabbelten sie auf den nassen Sand, lange TausendfüÃler, bis sie sich zurückzogen und unter der nächsten gierigen Schaumreihe verschwanden.
In Kürze würde die Sonne untergehen und die dunkle See im Mondlicht leuchten, wie von einem unterirdischen überdimensionierten Scheinwerfer angestrahlt. Manchmal ging Falk abends alleine zum Strand, auch im Winter. Ãber den Bohlenweg von Tüdersen, durch den Einschnitt zwischen den Dünen, bis ganz nach vorne zur Wasserkante. Er hatte sich auch in den dunkelsten Winternächten nicht gefürchtet. Dann hatte er oft eine Stirnlampe mitgenommen, und immer wenn das Licht der Lampe zum ersten Mal die Wellenkämme gestreift hatte, war es ein erhebender Augenblick für ihn gewesen. Das Meer spendete Falk stets Trost. Sein gleichförmiges Rauschen war Balsam für die Seele, er fühlte sich wie hypnotisiert. Und so ging es ihm auch jetzt, als er neben Grit stand, schweigend, und aufs Meer hinausblickte. Erst als Piet die beiden zum Essen rief, erwachte er aus der Trance und war dankbar, dass er von dem Freund seiner Mutter ohne Vorbehalt aufgenommen und bewirtet wurde.
Es gab »Steak frites«. Eine saftige Rinderlende mit selbstgeschnippelten Pommes, hausgemachtem Ketchup und einem knackigen Salat. Keine Extravaganz, aber die Details verrieten den passionierten Koch. Gesprächsthema beim Essen war die Anwesenheit des Filmteams auf der Insel. Piets Fischbude war mittlerweile zum Stammlokal des Teams geworden, die Beleuchter, Tonleute und Kameraassistenten gingen bei ihm ein und aus, und so war der Pirat bestens über den Verlauf der Dreharbeiten informiert.
»Die sind schon ein paar Tage im Verzug«, wusste er zu berichten. »Der Produzent ist abgereist, weil er neues Geld auftreiben muss. Die haben ganz normale Drehtage angesetzt und dabei vergessen, den Tidenhub zu berücksichtigen.«
»Ach«, fragte Falk amüsiert zurück, »die wussten nicht, dass es hier Ebbe und Flut gibt?«
»Tja«, lachte Piet verschmitzt, »so ist es. Kommen morgens ans Set und suchen das Meer.«
Dazu musste man wissen, dass auf Heisterhoog der Unterschied zwischen dem Niedrigwasser und dem Hochwasser satte acht Meter betrug, was auf dem sehr flachen Strand bedeutete, dass die Wasserlinie bei Ebbe ungefähr fünfhundert Meter weiter zurück lag als bei Flut.
»Und dann müssen sie ein paar Stunden warten, bis sie die Boote wieder zu Wasser lassen können.«
Ãber so viel Dummheit musste man sich einfach ausgiebig lustig machen, und Falk wurde im Verlauf des Gespräches angenehm von seiner neuen Beziehungskrise abgelenkt. Er musste an seinen Kumpel Bertie denken, den er seit dessen Ankunft auf Heisterhoog noch nicht getroffen hatte und mit dem er noch immer ein Hühnchen wegen der Statistenunterbringung zu rupfen hatte. Aber wenn er nun hörte, was für einen Stress es bei der TV -Produktion gab, erklärte das
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