Mutter bei die Fische
fragte sich Falk. Wenn nichts Besseres kommt?
Beim Frühstück hatte er sich sehr anstrengen müssen, ihr seine schlechte Laune nicht zu zeigen, tatsächlich aber war er froh gewesen, dass Gina den ganzen Tag auf der Wattwanderung war.
Am Strand hatte er ebenfalls den ganzen Tag gemuffelt. Er war nicht einmal dazu zu bewegen gewesen, mit Kai, Thiesâ neuem Assistenten, und Nille Roundabout, eine vereinfachte Form von Baseball, zu spielen. Ein Spiel, das Kai eingeführt hatte und das Nille mit kindlicher Inbrunst von früh bis spät spielen konnte. Auch Falk hatte Spaà daran, aber eben nicht an diesem Sonntag, nach der herben Niederlage.
Der Abschied von Gina schlieÃlich war ganz und gar unerträglich geworden. Sie hatten nach der Wattwanderung in der Kate noch etwas gegessen. Falk hatte eine mediterrane Krabbenpfanne vorbereitet, und beide hatten sich um gute Stimmung bemüht. An der Mole aber, nachdem sie sich zum Abschied geküsst hatten und Falk versichert hatte, dass er demnächst nach Berlin käme, hatte Gina begonnen, schrecklich zu weinen. Zwischen ihren Schluchzern hatte sie hervorgepresst, sie habe Falk nicht verletzen wollen und habe furchtbare Angst, das könnte das Ende ihrer Beziehung sein. Falk hatte sie trösten und ihr sagen müssen, dass es überhaupt nicht ihre Schuld sei, er habe ja schlieÃlich sie einfach überfallen mit seinem Antrag. Da müsse er mit dem Verletztsein schon selber klarkommen. Insgeheim aber fand Falk, dass es natürlich Ginas Schuld war â warum hatte sie denn nicht einfach ja gesagt? Er war gleichzeitig wütend auf sich, dass er mit seinem Antrag so herausgeplatzt war, und wütend auf Gina, weil sie sich um eine klare Antwort herummogelte.
Dann hatte er zugesehen, wie die zarte Gestalt mit dem honigblonden Haarknoten über den Landungssteg auf die Fähre gegangen war. Ginas Kopf war gesenkt, und Falk hatte wehmütig ihre gebogene schlanke Nackenlinie betrachtet. Dann hatte Gina kurz den Kopf gehoben, gewunken und war von einem neuerlichen Weinkrampf geschüttelt worden. Falk hatte der Fähre noch lange nachgesehen, aber Gina lieà sich nicht mehr blicken. Das war der traurigste Moment in ihrer beinahe einjährigen Beziehung gewesen, und Falk brach es fast das Herz, weil er Ginas Befürchtung teilte: War das nun das Ende ihrer Liebe?
Zuerst wollte er sich in seine Kate zurückziehen, ein paar Biere öffnen und »Tatort« gucken, wie immer am Sonntagabend. Aber dann war ihm eingefallen, dass heute eine Wiederholung eines alten Kölner »Tatorts« lief, den er schon gesehen hatte. Und Bier hatte er auch keines mehr. Kurzerhand hatte er Grit eine SMS geschickt und sie gefragt, ob sie für ihn Zeit hatte. Sie hatte ihn zu Piets Häuschen gelotst, und Falk war bass erstaunt gewesen, als er dort angekommen war.
Wenn sich ein Typ um die fünfzig noch kleidet wie ein Pirat, samt goldenem Ohrring, langem Zopf und Kopftuch, noch dazu Besitzer einer Bude für Bratfisch ist, dann erwartet man wohnmäÃig eher die Variante Studentenbude-trifft-Harley-Davidson-Garage (ohne die Harley natürlich). Mit Emailleschildern der Route 66 an der Wand und einer alles dominierenden schwarzen Kunstledercouch vor der Glotze, wo der Bewohner am Feierabend breitbeinig sitzt und Bierdosen öffnet. Dass der Schaum dabei auf den Boden tropft, kümmert nicht weiter, denn der Teppich im Dollarprint-Look würde die Flecken gnädig aufsaugen. So ein Ambiente erwartete jedenfalls Falk. Aber Piets Häuschen war das Gegenteil davon. Es lag in der Nähe der Dünen von Norderende, mit freiem Blick auf den breiten Strand und das Meer. Es war ein umgebauter Bungalow aus den sechziger oder siebziger Jahren, weià getüncht und mit Grasdach. Vorne, zum Strand hin, war eine hölzerne Veranda angebaut, ein schlichter und edler Bau mit Treppen zum Strand hinunter, der an die Villen der Filmstars in Malibu erinnerte.
Als Falk klingelte, öffnete seine Mutter in bester Laune und bat ihn herein. Das Innere des Bungalows war mit hellem HolzfuÃboden, modernen skandinavischen Möbeln und einer dezenten Bang-&-Olufsen-Anlage ausgestattet. Das Licht strahlte gelb und warm, und eine gigantische Fensterfront gab den Blick auf das Meer frei. Falk blieb die Spucke weg. Er hatte den guten Piet absolut unterschätzt. Dieser kam jetzt barfuà mit einem kalten Bier an, das er Falk in die Hand drückte,
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