Mutter bei die Fische

nicht so sicher, ob Kai in diesem Punkt die Wahrheit sagte, zu zielstrebig hatte Kai ihn damals ausgefragt, als er ihm am Fähranleger begegnet war. Und da hatte er noch kein Wort davon gesagt, dass er als Rettungsschwimmer arbeiten wollte. Aber das alles ließ Falk dahingestellt, denn Kai schien einfach ein netter, aufgeweckter junger Spund zu sein, der manchmal ein wenig zu sehr zur Anhänglichkeit neigte.
    Thies und Silke verabschiedeten sich schon früh aus der Runde, und die Tatsache, dass sie gemeinsam aufbrachen, führte zur Tuschelei, besonders in der Von-Boistern-Ecke.
    Â»Sind die zusammen?«, erkundigte sich auch Kai interessiert, aber sowohl Jörn als auch Falk gaben sich unwissend.
    Als Falk eine Stunde später ebenfalls aufbrechen wollte, stand Hubsi plötzlich hinter ihm und legte einen fetten Arm um ihn, einen um Kai und lud die beiden noch auf ein Glas in die »Rum-Ba-Bar« ein. Kai stimmte sofort begeistert zu, denn auf der Insel gab es nachtlebenmäßig für einen Zwanzigjährigen nicht eben ein üppiges Angebot. Falk brummte zwar schon der Schädel, aber auf ein Gläschen würde er Kai noch begleiten und dann abziehen.
    Als sie die Tür zur »Rum-Ba-Bar« öffneten, schlug ihnen nicht nur eine Wolke Schweiß, Parfum und abgestandene Luft entgegen, die Bässe wummerten gerade zu »Walk this way« von den Beastie Boys, und Falk staunte, wie vollgestopft die kleine Bar mit angeschlossener Disko war. Sie mussten richtig schieben, um noch hineinzukommen.
    Â»Ist ja irre«, freute sich Kai, und das, was er anschließend noch von sich gab, ging im krachlauten Diskosound unter.
    Falk kämpfte sich zur Bar durch, hinter deren Tresen Ole Reents stand und wie ein Weltmeister zapfte, mixte und einschenkte, aber dennoch die Aufmerksamkeit aufbrachte, Falk zuzunicken und dessen Bestellung aufzunehmen. Falk hätte am liebsten einen stärkenden Kaffee getrunken, doch aus Rücksicht auf Barkeeper Ole, der alles allein managte, verzichtete er darauf und orderte nur einen Saft. Dann ließ Falk den Blick schweifen und erkannte, warum die Bar heute ungewohnt gefüllt war. Die Leute vom Film waren eingefallen. Er sah die beiden Schauspieler Max und Jasemina auf der winzigen Tanzfläche, wie sie versuchten, sich gleichzeitig lasziv anzutanzen und dem jeweils anderen mit ihrem Tanzstil die Show zu stehlen. Während Max eine Mischung aus Headbanging und Pogo hinlegte, glichen Jaseminas gewundene Bewegungen eher einem Ausdruckstanz. Auch Gernot und Nancy schwitzten um die Wette. Sie umkreisten einander wie Pfaue beim Balzen. Falk schielte schnell zu Ole. Tatsächlich hatte der bei allem, was er hinter dem Tresen tat, seine Verlobte im Blick, und an den angespannten Kiefermuskeln konnte Falk erkennen, dass ihm nicht gefiel, was er sah. Nancy dagegen hatte nur Augen für Gernot Limpinsel. Falk fiel auf, dass Nancy für ihre Verhältnisse unglamourös gekleidet war. Sie trug lediglich Hot Pants und ein lockeres T-Shirt, dessen Ausschnitt immerhin so weit war, dass es ihr über beide Schultern rutschte. Darunter trug Nancy einen Bikini. Auf ihre High Heels hatte sie heute verzichtet, an ihren Füßen mit den pink lackierten Zehennägeln hatte sie lediglich flache Flipflops aus Leder – Jesuslatschen, hatte Falks Mutter immer dazu gesagt. Als hätte Nancy bemerkt, dass Falk und Ole sie – aus unterschiedlichem Interesse – anstarrten, verließ sie die Tanzfläche und kam an die Bar. Sie begrüßte Falk freundlich und bestellte dann bei Ole etwas zu trinken. Der beugte sich vor und zischte Nancy etwas zu, was Falk nicht verstand. Er betrachtete ihr Gesicht. Sie wirkte jünger als sonst, aber auch hübscher. Sie war verschwitzt und hochrot und wirkte irgendwie – sympathisch. Nicht mehr wie Paris Hilton, deren Look sie normalerweise haargenau kopierte. Falk grübelte, bis er wusste, was es war: Nancy von Boistern war so gut wie ungeschminkt. Eine Sensation! In der Regel wetteiferten Nancy und ihre Mutter Thea darum, wer die meisten Farben im Gesicht verteilen konnte. Aber heute konnte man sogar niedliche Sommersprossen auf ihrer Nase erkennen. Nancy nahm gerade zwei Drinks von Ole entgegen, der noch immer schlechtgelaunt auf sie einredete, was sie mit demonstrativem Augenrollen quittierte, bevor sie sich wieder zu Gernot und den beiden Schauspielern durchdrängelte. Falk folgte ihr mit den Augen, und