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Mutter des Monats

Mutter des Monats

Titel: Mutter des Monats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Hornby
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ernst. Anderen Leuten um die Ohren zu surren galt bei ihrer Mutter als Arbeit.
    Sie schob das Rähmchen zurück und zog ein weiteres heraus. »Hier verrichtet jeder seine Arbeit.« Nachdem sie alles untersucht hatte, wischte sie etwas Schmutz weg, der seitlich an einer Wabe klebte. »Hier ist alles bis ins Kleinste durchorganisiert und unterliegt einer strengen Ordnung. Alle wechseln sich ab. Nach Plan. Manche bleiben im Bienenstock und kümmern sich um die Aufzucht oder säubern die Waben. Andere fliegen herum, halten nach neuen Nistplätzen Ausschau oder sichern den Bienenstock.«
    »Ja, ja.« Sie schlug weiter nach den Bienen. »Was meintest du mit ›Hab ich’s nicht gesagt‹? Was hast du ihnen erzählt?«
    »Ach, nur, dass du dich hier nicht wohlfühlen würdest.« Sie schob auch dieses Rähmchen wieder an seinen Platz und zog weiter unten ein neues heraus. »Weil du große Ansammlungen von Frauen nicht magst. Mochtest du noch nie. Bist eben nicht gern mit Mädchen zusammen. War schon immer so. Aha!« Sie hielt das Wabenrähmchen in die Herbstsonne. »Das ist die Königin, schau! Alle Arbeitsbienen sind gleich groß, aber ihr Körper ist viel länger. Irgendwie schlanker. Glänzender. Sie sehen heute vorzüglich aus, Majestät, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
    »Wie bitte? Also ehrlich, Mutter!« Rachel war empört. »Wie kommst du dazu, so über mich zu reden!« Sie spürte förmlich, wie sie unter ihrem bescheuerten Hut vor Wut zu kochen begann.
    »Und diese Bienen hier gehen auch einer Arbeit nach«, fuhr ihre Mutter unbeirrt fort. »Sie pflegen die Königin. Da sind sie, alle scharen sich um sie. Von einer Seite wird sie geputzt, von der anderen gefüttert. So kann man’s aushalten, hm, Eure Majestät?«
    Was? Nicht gern mit Mädchen zusammen? Was für ein Schwachsinn! »Wirfst du mir immer noch vor, dass ich nicht zu den Pfadfindern wollte? Das sollten wir wirklich mal ad acta legen, finde ich.«
    »Wie schade. Vierzig Jahre alt und redet immer noch von den Pfadfindern«, murmelte ihre Mutter kopfschüttelnd und schob alles wieder an seinen Platz.
    » Du bringst das doch ständig aufs Tapet.« Rachel hielt immer noch Abstand. Sie kauerte jetzt fast am Zaun. »Außerdem mochte ich sie nicht, weil sie so eine blöde Uniform tragen. Und die hier mag ich nicht, weil sie einen giftigen Stachel haben. Du hast nicht mal ein echtes Argument …«
    »Entschuldige bitte, aber ich habe nichts über Pfadfinder gesagt. Oder darüber, dass du es nie in eine Gruppe geschafft hast. Oder darüber, dass ich dich von der Klassenfahrt abholen musste, weil du es im Schlafsaal nicht ausgehalten hast.« Sie ließ den Deckel des weißen Kastens einrasten, und das Summen wurde leiser.
    »Mutter, hör auf damit«, jammerte Rachel. Scheiß aufs Nettsein, wenn das die Folge war. »Würdest du bitte aufhören, mich so darzustellen, als wäre ich eine gestörte Außenseiterin ohne Freunde?«
    »Aber nett«, sagte ihre Mutter freundlich. Aber nur zu den Bienen, die immer noch draußen herumschwirrten.
    »Na, vielen Dank auch.« Rachel wiederholte die Worte ihrer Mutter laut und deutlich. »Ja, genau. Aber nett.« Sie wollte, dass auch die Bienen im Stock sie hörten.
    »Ich weiß nicht, warum du sie anschreist. Sie können dich nicht verstehen, weißt du? Ich spreche nur aus Gewohnheit mit ihnen.« Sie streichelte liebevoll über den Deckel, nahm ihr Räuchergerät und ging in Richtung Haus davon. Aha. Egal. Rachel wollte die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Sie verspürte einen starken Drang, alles in den richtigen Zusammenhang zu bringen und den Bienen zu erklären, dass es sich lediglich um eine vorübergehende Phase handelte und ihr kurzfristig der Ehemann und die beste Freundin abhandengekommen waren, was ja wohl jedem passieren konnte, und dass sie normalerweise nicht so eine trübe Tasse war, eher das Gegenteil. Aber ihre Mutter war schon vorgegangen, deshalb musste Rachel wohl oder übel hinterdreinmarschieren.
    »Na, das war ja ein richtiger Spaß. Warum musste ich eigentlich mitkommen? Du hättest das doch prima allein geschafft.«
    »Es ist nicht ungefährlich. Man sollte nie allein reingehen. Also danke für deine Hilfe.«
    »Gern geschehen.« Vielleicht würde sie es noch mal mit dem Nettsein probieren. »Habe ja sonst nichts zu tun.« Selbst diese eigentlich zutreffende Bemerkung klang sarkastisch.
    »Ah, das trifft sich gut. Dann kannst du dich bestimmt schnell um die Hühner kümmern,

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