Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mutter des Monats

Mutter des Monats

Titel: Mutter des Monats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Hornby
Vom Netzwerk:
für ihre Wut über den Verlust, den sie noch nicht beweinen konnte. Als sie Debbie vorschlug, bei der Beerdigung statt des »Vaterunser« einige Zeilen aus »My Liverpool Home« vom Liverpool-Trainer Kenny Dalglish vorzulesen, fragte Georgina sich allerdings, ob Joanna das wirklich ernst gemeint hatte. Sie wollte Debbie wohl nur provozieren, aber ganz sicher war sich Georgina nicht.
    Zum hundertsten Mal an diesem Morgen hörte Georgina die Hintertür aufklappen und Schritte in der Küche. Vielleicht sollte sie besser mal nachsehen, was da hinten eigentlich los war, und neuen Tee aufsetzen. Sie sammelte die Becher ein, stahl sich aus dem Zimmer, schloss leise die Tür hinter sich, drehte sich um und starrte direkt in ein Chaos – sogar Georgina konnte das auf Anhieb erkennen –, das vor einer Stunde noch nicht geherrscht hatte und das sie sich zunächst auch nicht erklären konnte.
    Wie es aussah, hatte sich wohl um kurz nach halb zehn eine Art Naturkatastrophe ereignet, denn Joannas Küche war von flachen Auflaufformen mit Alufolie überschwemmt worden, die jede erdenkliche Stellfläche bedeckten – Tisch, Sitzflächen, Fußmatte. Auf jedem Gefäß prangte ein individueller gelber Notizzettel. Wie, fragte sich Georgina, lautete das passende Adjektiv für Aufläufe? Herzlich? Nein, das gehörte zu Grüßen. Sättigend. Doch das Wort beschrieb nicht mal annähernd die geistige Verwirrung, die zu dieser Küchenkatastrophe geführt hatte. Gedankenlos? Ja, schon besser. Es handelte sich um eine unüberlegte, unkoordinierte, unpassende und unglaublich gedankenlose Invasion von Quiches, Aufläufen und Überbackenem.
    Georgina trat an den Tisch und löste das Post-it vom erstbesten Auflauf. »Lasagne mit Lammcurry« stand darauf. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie Lammcurry-Lasagne eine positive Wirkung auf menschliche Tragödien oder Unglücke haben sollte. »Bitte die Form bis Freitag wieder zurückgeben! Wird am Wochenende gebraucht! Danke, Clover.« Klar, Clover. Am Freitag würde Joanna ihren Lebensgefährten ins Krematorium begleiten. Vielleicht könnte der Leichenwagen einen kleinen Abstecher machen? Prima Idee!
    Wieder öffnete sich die Hintertür. Diesmal war es Heather, sie trug eine mit Alufolie umwickelte Auflaufform und spähte mit sorgenvoller Miene in die Küche.
    »Meine Güte!«, flüsterte sie. »Das ist ja wie Eulen nach … ähm, wohin trägt man Eulen noch mal … weißt schon, da im Süden irgendwo?«
    »Was zum Teufel geht hier ab?«, fauchte Georgina. »Wisst ihr, was ihr der armen Joanna damit antut? Wessen Idee war das? Wer hat Clover angewiesen, diesen Giftbrei anzurühren und ihn dann mit einer Gebrauchsanleitung zur ordnungsgemäßen Benutzung des Kochgeschirrs hier abzuliefern?«
    Heather trippelte nervös über die Türschwelle. »Eigentlich keiner. Weil …« – sie stellte ihre Spende auf einen noch freien Platz und machte eine Quirlbewegung mit den Händen, die ihre eifrige Erklärung unterstreichen sollte – »… wir sozusagen frei herumschwirren.«
    »Schwirren? Wir kümmern uns um die Beerdigung, und ihr schwirrt herum? Hört sofort damit auf. Umgehend. Und was, bitte, macht Bea, während ihr so herumschwirrt?«
    »Na, darum geht es ja! Sie hat noch nichts gemacht. Das ist ja unser Problem. Wir haben keine klare Anweisung.« Heather legte die Hände flach zusammen und musterte Georgina eingehend. »Also schwirren wir herum.« Dann ging die Quirlbewegung wieder los.
    »Dann sag ihr, sie soll was tun. Und zwar zackig.«
    »Na ja, die Sache ist … ich meine … ich glaube … ähm … also, Colette hat gesagt, dass sie streikt.« Heather betrachtete ihre Schuhspitzen. »Wir glauben – also, Colette glaubt, dass es vielleicht was damit zu tun hat, dass du Bea gesagt hast, dass sie sich und ihre besch… Nase künftig in ihre eigenen besch… Angelegenheiten stecken soll. O je!« Sie hatte gesehen, wie sich die Tür zum Wohnzimmer öffnete. »Da ist ja Reverend Debbie. Guten Tag!«, sagte Heather und murmelte etwas Unverständliches, das Georginas Meinung nach wie »Gott sei Dank« klang.
    »Hallo, Heather. Gibt es vielleicht noch Tee, Georgina?«
    »Oh, Entschuldigung. Meine Schuld. Ich habe sie abgelenkt.« Heather schnappte sich die Auflaufform und hastete zur Tür. »Ich muss sowieso weiter. Der Rektor hat für heute Mittag eine Versammlung des Spendenkomitees einberufen.«
    »Ach ja? Das wusste ich gar nicht …« Georgina wandte sich desinteressiert dem Wasserkocher

Weitere Kostenlose Bücher