Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mutter des Monats

Mutter des Monats

Titel: Mutter des Monats Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Hornby
Vom Netzwerk:
Entzückungsrausch erwacht.«
    »Ich bin aber auch der Mann, den sie plattgemacht hat, wenn du dich erinnerst, wie einen kleinen Wurm.«
    »Na, wahrscheinlich übst du noch.« Sie hob das Glas.
    »Wahrscheinlich.« Er stieß mit ihr an. »Aber du weißt anscheinend schon alles. Du hältst den Schlüssel zum Verständnis unserer Existenz. Wer hätte das gedacht. Sie, Mrs Mason, haben den Stein der Weisen gefunden.«
    »Herzlichen Dank, mein lieber Herr Rektor.« Sie schlüpfte aus ihrem klatschnassen Blazer und hängte ihn über die Lehne. Den Fluchtgedanken hatte sie erst mal aufgeschoben. »Ich wette, das sagen Sie allen Müttern.«
11 Uhr: Große Pause
    So einen chaotischen Vormittag hatte Heather noch nie erlebt. Zwischen der Vorbereitung des Mittagessens und dem Planen des Geburtstags hatte sie auch noch das Haus von oben bis unten aufräumen müssen, damit sie überhaupt jemanden hereinlassen konnte. Doch am Anfang hatte sie noch alles im Griff gehabt – »mache eine Liste und hake eins nach dem anderen ab«, sagte Bea immer. Sie war tatsächlich eine Viertelstunde zu früh fertig gewesen. Nur aus diesem Grund hatte sie beschlossen, noch schnell zu duschen. Damit hatte sie sich beruhigen wollen, weil ihr nämlich immer noch der Kopf schwirrte, obwohl sie schon fertig gewesen war. Er hatte sogar so sehr geschwirrt, dass sie das Duschen mit dem Aufräumen verwechselt hatte, denn sonst hätte sie es wohl kaum für eine Murmel gehalten. Eine Murmel, die irgendwie an die falsche Stelle gerollt war. Hm, hatte sie gedacht. Eine Murmel. Wie war die denn hier gelandet? Erst dann war es ihr schlagartig klar geworden: Das konnte keine Murmel sein, denn sie befand sich in ihrer rechten Brust. Außerdem besaß Maisie überhaupt keine Murmeln. Nicht, dass Heather ihr keine gekauft hätte, aber ihre Tochter hatte sich nie dafür interessiert.
    Sofort bereute sie ihren Entschluss. Warum hatte sie nur geglaubt, sich mit Duschen beruhigen zu können? Das war ihrer Erfahrung nach ohnehin meist enttäuschend. In Filmen standen die Leute immer in riesigen, sauberen Luxusbädern, und von überall her schoss heißes Wasser auf sie herab. Die Dusche der Carpenters war ganz anders, einerseits, weil Guy sie selbst eingebaut hatte und die Tür so dünn war, dass sie überall wackelte, andererseits, weil die Düsen so verkalkt waren, dass ohnehin nur lauwarmes Wasser als schwacher Strahl herauströpfelte. Meistens machte ihr Duschen also wenig Freude.
    Als Nächstes gab sie Georgina die Schuld. Hätte Georgina das Menü nicht auf ihre typisch besserwisserische Art verschlankt, hätte Heather noch nicht mal die Zeit für den Gedanken ans Duschen gehabt, geschweige denn, tatsächlich in die Kabine zu steigen und überhaupt … o Gott, wenn es doch nur eine Murmel wäre. Als Bea sie zur Gastgeberin für das Mittagessen mit Geburtstagsparty erwählt hatte, war Heathers erster Gedanke Dim Sum gewesen. Selbst gemachtes Dim Sum . Warum? Keine Ahnung. War ihr einfach so gekommen, die Vision einer meterlangen Tafel mit allerlei asiatischen Köstlichkeiten, die den anderen den Atem verschlagen würden. Hätte sie also jetzt Dim Sum für zwanzig Gäste zubereitet, wäre Duschen wohl kaum möglich gewesen. Aber kaum hatte sie ihre Idee – nur im Vorübergehen – erwähnt, hatte Georgina sie am Arm gepackt, als wollte Heather sich mit Selbstmordabsicht von der Eisenbahnbrücke stürzen – hatte ihr die Klauen regelrecht ins Fleisch getrieben – und es ihr rundheraus verboten. Deshalb gab es jetzt auf Geheiß der gnädigen Dame Hähnchen mit Kräutern, Pellkartoffeln, zwei verschiedene Salate – Tomatensalat und grünen Salat – und eine Schüssel Erdbeeren. Ganz einfach. Und ganz langweilig. Selbst als sie den Gerichten ihre persönliche Note verpasst hatte, waren sie immer noch einfach und langweilig gewesen, und es war trotz allem eine Viertelstunde fürs Duschen geblieben.
    Deswegen saß sie jetzt hier auf dem Badewannenrand, in ein Handtuch gehüllt, und starrte sich im Spiegel an. Seltsamerweise sah sie noch immer genauso aus wie vor zehn Minuten. Ein wenig blasser vielleicht. Sie war tatsächlich kreidebleich. Und als sie ihr Haar löste, bemerkte sie, dass ihre Hand zitterte. Unkontrolliert. Mehr nicht. Da fasste sie auf der Stelle zwei Entschlüsse. Erstens: Sie würde sich nicht mehr von Georgina herumkommandieren lassen. Dreißig Jahre waren genug. Zweitens: Sie würde das Mittagessen servieren, als wäre nichts geschehen. Dazu war sie

Weitere Kostenlose Bücher