Mutter des Monats
die Fahrsicherheit in Person war. Oder sie sah Maisie im Krankenbett vor sich, daneben die Maschinen mit dem Schalter zum Abstellen. Doch ein paar Tage lang hatte sie Guy als trauernden Witwer vor Augen gehabt. Und die kleine Maisie ohne Mutter, die sich nur noch von Hähnchen ernährte, weil Guy nichts anderes kochen konnte. Hatte sich ausgemalt, wie Maisie ihre Tage bekam und sich nicht traute, jemandem davon zu erzählen, und keiner es bemerkte und … Na, jedenfalls gut, dass jetzt wieder alles normal war.
Bea lächelte Heather zu und zog die Nase kraus, hatte aber immer noch das Handy am Ohr. »Gut. Zum nächsten Punkt. Wir sind immer im Dienst! Wie läuft’s mit der Gourmet-Lotterie? Braucht ihr noch jemanden, der kocht? Weil Heather heute den Nachmittag frei hat …« Sie sah Heather mit erhobenen Brauen an und nickte ihr Zustimmung heischend zu. »Okay. Sie wird schnell was zaubern, kein Problem. Bis später! Mach ich.«
Sie beendete auch dieses Gespräch und wandte sich wieder Heather zu. »Ich soll dir von allen liebe Grüße ausrichten. Du hast so ein Glück gehabt. Nun denn. Soll ich Guy für dich anrufen? Du bist ja mit Fahren beschäftigt.«
15 Uhr: Die Gourmet-Lotterie
Rachel kramte ihr Los aus der Hosentasche, stellte sich an und schlurfte zusammen mit allen anderen in den Saal. Es war ihr völlig egal, was sie gewann, sie würde es essen, selbst wenn es von Clover stammte. Die Kinder waren heute Abend nicht da, also würde es kein Mag-ich-nicht, Mag-mag-ich-auch-nicht geben. Sie war tatsächlich ganz aufgeregt wegen heute Abend. Jetzt, da sie herausgefunden hatte, wo genau der Bunker gewesen war, wollte sie unbedingt mit der Zeichnung zum Zweiten Weltkrieg für die Bibliothek beginnen. Wann hatte Rachel sich zum letzten Mal zu Hause vor ein Gericht gesetzt, das jemand anderes für sie gekocht hatte? Das gehörte normalerweise nicht zum Alltag eines Singles. Erst jetzt, da sie nicht mehr verheiratet war – na ja, die Scheidung lief noch –, sah sie alles glasklar vor sich. Alles, was sie und Chris füreinander getan hatten – sei es nur, morgens Tee zu kochen (er) oder die Socken zu waschen (sie) –, hatte sie als Teil einer täglichen Routine erlebt, doch in Wirklichkeit waren es Liebesdienste gewesen. Natürlich war ihr das damals nicht so vorgekommen. Sie hatte das als ganz normal (den Tee) oder als extrem nervig (die Socken) empfunden. Aber jetzt wirkten diese Routinehandlungen wie romantische Gesten, die ihre Verbindung durch die ständige Wiederholung gestärkt und ihren Treueschwur auf pragmatische Weise immer wieder erneuert hatten. Bis es aus unerklärlichen Gründen nicht mehr funktioniert hatte. Keine Verbindung mehr. Nur ihr desolater Alltag, in dem niemand mehr etwas für sie tat, hatte sie gelehrt, die Dinge auf diese Weise zu betrachten.
Obwohl die Person, der Rachel ihr Abendessen zu verdanken hatte, nicht einmal wusste, für wen sie es gekocht hatte – vielleicht nicht mal wusste, dass es Rachel gab –, konnte sie sich etwas anderes vorgaukeln. Heute würde sie nach Hause kommen, das Essen in den Ofen schieben, den Duft genießen und sich vormachen, dass jemand extra für sie gekocht hatte.
Die Tische waren über und über mit Platten und Schüsseln bedeckt, in denen Zettel mit Losnummern steckten. Die Kinder hatten noch Unterricht, aber es war schon brechend voll, und alle platzten fast vor Aufregung. Als Rachel auf den ersten Tisch zuging, sah sie Heather, die dahinter stand wie der offizielle Gardegeneral der Gourmet-Lotterie.
»Tut mir leid, dass ich dich so anstarre«, sagte Rachel, »aber du erinnerst mich an eine Frau, die ich mal gekannt habe. Unsere Kinder waren auf einer Schule.« Sie schüttelte den Kopf. »Ist schon Jahre her. Tempus fugit , hm?«
»Ach, Rachel. Tut mir echt leid. Ich bin dir nicht aus dem Weg gegangen, ehrlich nicht. Ich habe nur …«, mit hektischem Blick sah sich Heather im Saal um, auf Rachel wirkte sie fast paranoid, »… ich erklär’s dir später.« Heather streckte die Hand aus. »Bitte entschuldige. Ich habe dich vermisst, Rachel. Wirklich.«
»Schon gut. Ganz ruhig.« Sie schüttelte Heathers Hand. »Und erkläre es mir um Gottes willen nicht hier. Ich muss mich konzentrieren. Ich habe ein Rendezvous mit dem Norovirus«, sagte sie mit Ingrid-Bergman-Stimme. »Lenk mich bloß nicht ab.«
Rachel machte sich auf die Suche nach Nummer 86. Und da, am nächsten Tisch, stand ihr Abendessen: Fischauflauf. Ihr Herz schlug höher. Bingo!
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