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Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Titel: Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rosenberg
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einweisen.«
    Nein, das können wir nicht. Das stimmt schon. Aber persönlich nehme ich die Worte meines Vaters schon. Denn wie sonst sind sie zu verstehen? Schon bei meiner Mutter fällt es mir schwer, emotionale Distanz zu wahren, obwohl mir sehr wohl bewusst ist, dass sie krank ist. Mein Vater hingegen ist nicht krank. Oder etwa doch?
    Ab wann ist man krank und nicht mehr verantwortlich für sich selbst?
    Auf ein weiteres Gespräch mit meinem Vater habe ich keine Lust mehr, deshalb gehe ich direkt in unsere Wohnung. Jens sitzt mit Lena beim Abendbrot in der Küche. Beide sehen mir meine Enttäuschung an, weswegen sie mit keinem Wort auf das Treffen mit dem Hausarzt eingehen, sondern schnell belanglose Dinge erzählen, um mich abzulenken. Inzwischen haben sie es sich zur Gewohnheit gemacht, nicht mehr direkt nachzuhaken, wenn ich mit schlechter Laune oder resigniert von meinen Eltern komme. Sie warten, bis ich mich einigermaßen beruhigt habe, um mich nicht noch mehr aufzuregen.
    Später am Abend erzähle ich Jens von dem erfolglosen Gespräch.
    »Du darfst deinen Vater nicht so ernst nehmen«, rät er mir. »Er weiß doch auch nicht mehr, was er sagt.«
    »Das sehe ich anders«, entgegne ich. »Er lehnt alles ab, was ich ihm an Hilfen anbiete. Wenn er nur einmal mitmachen würde! Er denkt immer nur an sich! Wie deprimierend das für mich ist, interessiert ihn gar nicht.«
    Tatsächlich habe ich schon viele Vorschläge in der Vergangenheit gemacht, um meinem Vater etwas mehr Lebensfreude zu vermitteln. Aber ganz gleich, ob es Ausflüge für Senioren waren (»Da sind ja eh nur alte Weiber dabei!«) oder Seniorentreffen (»Das ständige Geplapper kann ich nicht ertragen.«) – er wollte nie mitmachen. Ausflugsvorschläge von der Familie wie ein Zoobesuch oder eine Dampferfahrt kommentierte er lapidar (»Kenn ich schon alles. Hab ich schon tausendmal gemacht!«) und winkte ab.
    Doch wie soll ich es schaffen, meinen Eltern gerecht zu werden, wenn sie sich gegenseitig nicht mehr ertragen? Und ist es nicht schon so weit, dass ich sie nicht mehr ertrage?
    Ein neuer Plan muss her, und zwar so schnell wie möglich.

Kapitel 4
    Anfang 2007

Keine Zeit aufzuatmen
    Wieder einmal ist meine berufliche Situation angespannt. Ich habe die Stelle als Niederlassungsleiterin aufgegeben und eine Teilzeitstelle als Referentin für Öffentlichkeitsarbeit gefunden. Ein Job, der mir Spaß macht, aber gleichzeitig anspruchsvoll ist.
    Ein ziemlich nervenaufreibender Vormittag liegt hinter mir. Ich sehe auf die Uhr und stelle mit Schrecken fest, dass es schon fast eins ist. Schnell packe ich meine Sachen, um gemeinsam mit meiner Tochter daheim einzutreffen.
    Den ganzen Morgen habe ich vergeblich versucht, den Sachbearbeiter der Pflegeversicherung meiner Eltern telefonisch zu erreichen. Meine Mutter ist in der Pflegestufe 2 eingeteilt, sie bedarf jedoch sicher schon der Pflegestufe 3, der Zustand meines Vaters müsste auch neu begutachtet werden. Wir haben einen Anspruch auf 430 Euro für die häusliche Pflege (Geldleistung) oder 1040 Euro für die ambulante Sachpflege. Allein schon die beiden Begriffe zu verstehen hat mich einiges an Zeit für die Recherche im Internet gekostet.
    Geldleistung heißt, der Empfänger kann damit machen, was er will. Ambulante Sachpflege erhält der, der eine ambulante Pflegeeinrichtung beauftragt. Dieses ungerechte und nicht nachvollziehbare System hat mein Gemüt ziemlich erregt. Selbst die Sachbearbeiter bei der Pflegeversicherung können diese ungleiche Geldverteilung nicht ausreichend begründen. Wie kann man auch nachvollziehen, dass wir beispielsweise für das Zähneputzen durch Tessa nur die Hälfte des Geldes bekommen, das wir bekämen, wenn eine Pflegerin des ambulanten Pflegedienstes sich darum kümmerte?
    Gern hätte ich diese Angelegenheit mit einem der Entscheider diskutiert. Aber im Moment habe ich andere Sorgen. Ich will versuchen, meine Eltern eine Pflegestufe höher einstufen zu lassen. Natürlich ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Kosten der Pflege übersteigen die Zuschüsse längst um ein Vielfaches. So können sich meine Eltern glücklich schätzen, dass sie noch über erspartes Geld verfügen und mein Vater eine gute Pension hat.
    Meine ergebnislosen Bemühungen an diesem Vormittag haben mich so blockiert, dass ich meine eigentlichen Aufgaben nicht ausreichend erledigen konnte. Die Kreativität, die in meinem Job täglich verlangt wird, bleibt bei solchen Aktionen auf der

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