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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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haben. Ich wollte nicht angemalt werden, auch nicht auf der Babymesse, die ich mit einer Freundin besuchte (was ich nur noch mal machen würde, wenn mir jemand eine sehr große geladene Waffe an den Kopf hält). In der Messehalle kam mir eine Frau entgegen. Genau genommen stürmte sie auf mich zu und musste sich förmlich zwingen, vor Aufregung nicht zu hüpfen. »Darf ich Ihnen mit Fingerfarbe auf den Bauch malen, wie Ihr Kind gerade liegt?«, fragte sie, und es klang so verrückt wie »Darf ich meine selbst geschriebenen Gedichte über Otter an Ihre Hose tackern?« – »Warum das denn, du sonderbare Frau?«, wollte ich rufen. Aber auf dieser Veranstaltung schien die Frage ganz normal zu sein, denn außer meiner Freundin und mir waren alle anderen Schwangeren ganz heiß darauf. Wir flohen und bahnten unseren Weg vorbei an den Ständen von Olaf, dem elefantastischen Nasensauger, an Sprachschulen, die Zeichensprache und Englisch für Säuglinge anboten, und vielen anderen Firmen, die allesamt darum buhlten, das bioste und frühförderndste Produkt der Welt zu verkaufen. Es war furchtbar, und ich hätte meinen Sohn verstanden, wenn er unter diesen Umständen entschieden hätte, in meinem Bauch zu bleiben.
    Aber wer jetzt glaubt, dass ich souverän alle Werbeversprechen entlarvt und als Quatsch abgebügelt hätte, der hat sich leider getäuscht: Die meiste Zeit steckte ich nämlich auch mittendrin im Kaufrausch und war leichte Beute für alle, die ein Produkt für Schwangere verkauften und behaupteten, es sei das wirkungsvollste, beste oder irgendetwas in der Art. Man sollte denken, dass ich durch meinen Beruf als Werbetexterin vor solchen »Versprechen« gefeit bin, aber weit gefehlt. Schon in der Schwangerschaft explodierte unser Regal im Bad vor lauter Cremes, Ölen und Entspannungsbädern. Immer wenn ich etwas Neues entdeckt hatte, das laut Werbebotschaft Dehnungsstreifen noch unwahrscheinlicher machen sollte, habe ich es sofort gekauft, obwohl es vermutlich an zwölf Frauen getestet wurde, von denen zehn leider nicht schwanger werden konnten und zwei bereits vorher Dehnungsstreifen hatten.
    Außerdem fand ich es besonders super und exklusiv, mir Umstandskleidung zu kaufen. Dass die meisten Sachen schlimme große Retro-Muster hatten, zu denen das Werbeversprechen »Kaschiert und sieht trotzdem flott aus, XXL -Mode mit Pfiff« gepasst hätte, war mir – aus mir heute unerfindlichen Gründen – egal.
    Das Ergebnis sind Netzhautpeitschen-Oberteile mit großen Spiralen im Kleiderschrank, Brennnessel- sowie Stilltee in der Küche und ein Sack Heublumen im Bad. Ich habe tatsächlich fast täglich auf dem Klo über einer Schale mit heißem Wasser und Heublumen gesessen, weil ein Heublumensitzbad das Gewebe weich machen und so vielleicht einem Dammriss entgegenwirken soll. Und siehe da, ich hatte wirklich keinen. Lag allerdings wohl eher am Kaiserschnitt.
    Aber am Kaufrausch und Mitmachwahn war keineswegs alles schlecht. Immerhin kenne ich jetzt den besten koffeinfreien Kaffee und habe mit Schwangeren-Yoga meine Rückenschmerzen halbwegs in den Griff bekommen. Außerdem hat regelmäßiges Schwimmen meinem Körper und meiner Seele gutgetan. Ich belegte keine speziellen Kurse für Schwangere, sondern machte die Aqua-Gymnastik in meinem Fitnessstudio mit, in dem es ausdrücklich erlaubt ist, »textilfrei« zu schwimmen. Das sah dann ungefähr so aus: Eine Fitnessfrau turnte am Beckenrand vor und etwa dreißig nackte (!) Rentner hüpften die Anleitungen im Wasser nach. In der Mitte schnaufte ich in einem lila Badeanzug mit rosa Punkten. Aber: Trotz meines »Ottfried Fischer geht als LSD-Käfer«-Outfits sah ich nicht am schlimmsten aus. Ein echter Boost für mein Selbstbewusstsein.
    Unsicher und kaufrauschig blieb ich aber trotzdem. Mit dem Erstlingssortiment meines Sohnes hätte ich problemlos Drillinge ausstatten und getrennt voneinander von A nach B bringen können, denn wir hatten neben dem Kinderwagen drei verschiedene Tragesysteme, von denen jedes zirca 0,5-mal zum Einsatz kam. In meinem Perfektionswahn probierte ich mich durch alle Schnuller-, Brei-, Zwieback- und Folgemilch-Sortimente, schließlich wollte ich auf keinen Fall etwas falsch machen. Und als in der neuen »Ökotest« die Schnullermarke meines Sohnes als besonders super abgefeiert wurde, habe ich mich mindestens genauso hochleben lassen, weil ich das schließlich ohne »Ökotest« schon vorher wusste.
    Es gab nur eine Sache, die ich auf keinen Fall

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