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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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Kinder machen. Zweitens war es mir, obwohl ich sonst eigentlich immer zu den Oberschissern gehöre, zum Glück egal, wann er was kann. Und die Fragen »Kann er sich schon drehen?« (ab drei Monaten), »Robbt er schon?« (ab vier Monaten), »Krabbelt er schon?« (ab fünf Monaten), »Läuft er schon?« (ab neun Monaten), »Spricht er schon?« (ab elf Monaten) haben mich nur genervt und nicht beunruhigt. Aber wie fühlen sich bloß die Mütter, die sich wirklich Sorgen machen? Wenn sie auf diese Fragen mit »Nein« antworten und folgende Reaktion dämlicher Vergleichsmütter ertragen müssen: Erst ein kurzes, aber etwas zu langes Schweigen, dann ein angeblich wertungsfreies »Ach so«. Ebenfalls die Pest sind Mütter, die über die Entwicklung anderer Kinder ihr mickriges Selbstbewusstsein aufpolieren wollen. Von denen kommt meistens die scheinbar erstaunte Frage »Ach, er läuft noch gar nicht?«, und man kann förmlich sehen, wie sie im Geist schadenfroh die Becker-Faust machen. Diesen Müttern wünsche ich kreisrunden Haarausfall und einen nässenden Nagelpilz. Übrigens: Nicht nur andere Menschen, sondern auch Bücher oder Webseiten können einen verrückt machen. Dort wird mit Entwicklungstabellen und Co. ständig versucht, etwas in ein Schema zu pressen, was sich nicht in ein Schema pressen lässt: Kinder. Wie froh bin ich, dass ich mir aus diesen Vergleichen immer einen Spaß machen konnte, insbesondere mit dem Klassiker »Oje, ich wachse«, denn mein Sohn konnte wirklich gar nichts, was er laut Buch können sollte. Zum Beispiel:
    »Es kann ein einfaches dreiteiliges Puzzle zusammensetzen.«
    Er hat zwei Teile weich gespeichelt. Das dritte ist verschwunden.
    »Es findet selbst ein Objekt, das es als Laufhilfe benutzt.«
    Er zieht sich am Wohnzimmertisch hoch, schwankt ein bisschen und fällt wieder um.
    »Es stellt sich auf den Kopf, ehe es mit Ihrer Hilfe einen Purzelbaum schlägt.«
    Er krabbelt und hält manchmal an, um an einer Teppichfranse zu lutschen.
    »Wenn Sie fragen, ›Wo ist deine Nase?‹, zeigt es auf seine Nase.«
    Er schaut orientierungslos im Raum umher, will auf seinen Vater zeigen, und sticht sich dabei ins Auge.
    »Es versteckt selbst etwas, das jemand anderem gehört, wartet und lacht, wenn der andere es findet.«
    Er spielt mit etwas, verliert das Interesse, lässt es liegen, krabbelt weg und erkennt es nicht wieder, wenn der andere es findet.
    »Es bürstet seine Haare.«
    Er hat keine Haare. Aber er haut sich mit der Bürste.
    »Es pustet sein Essen kalt, bevor es einen Bissen nimmt.«
    Er versucht, sein Essen zu kühlen, indem er es durch die Luft wirft. Danach schreit er, weil er Hunger hat.
    Darum mache ich mir keine Sorgen um die »richtige« Entwicklung:
    • Ich vertraue meinem Kind. Er macht das schon. Hat er bis jetzt ja auch gemacht.
    • Ich lese diese Entwicklungstabellen im Internet und in Büchern nicht mehr.
    • Kann ich nicht anders und muss diese Tabellen trotzdem lesen, versuche ich, mir eine amüsierte Distanz zu bewahren, zum Beispiel, indem ich das Kind zu etwas auffordere, das es laut Plan können muss (hierfür besonders zu empfehlen: »Oje, ich wachse!«).
    • Ich versuche zu vergleichen, wann Kinder im Alter meines Sohnes was (zum Beispiel Krabbeln oder Laufen) gemacht haben. Dann weiß ich wieder, dass bei so vielen Unterschieden Vergleichen überhaupt keinen Sinn macht.
    • Will ich wissen, wann so ungefähr irgendwas in der Entwicklung passieren kann, gucke ich in Remo Largos »Babyjahre«.
    • Ich mache mit anderen Müttern Witze über die Kinder. Das entspannt meistens alle, und die Vergleicherei hört auf. Und zu Müttern, die darüber nicht lachen können, halte ich Sicherheitsabstand.
    Was hast du denn?
    Die Ratlosigkeit bei schreienden/weinenden/schweigenden Kindern.
    Diese Baby-Zeichensprache, die jungen Eltern in Kursen beigebracht wird, finde ich nur halb gut. Das wäre anders, wenn man dort den Kindern auch die Zeichen für »Ich weiß selbst nicht so genau; ich glaube, ich kann irgendwie nicht einschlafen« oder »O Mann, heute ist so viel passiert, das muss ich erst mal verarbeiten« beibringen würde, in diesem Fall wäre ich sogar bereit gewesen, sehr viel Geld für diesen Kurs zu bezahlen. Mein Sohn hat nämlich aus mir schleierhaften Gründen in seinen ersten Lebensmonaten so viel gebrüllt, dass ich oft nicht mehr wusste, was ich machen sollte; ich hatte die Windel überprüft, ihn gestillt, wohltemperiert angezogen, er war ausgeschlafen,

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