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Muttergefuehle

Muttergefuehle

Titel: Muttergefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rike Drust
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seinem Mund nichts Auffälliges zu sehen, zuckte ich mit den Schultern und sagte mir dann halt ohne Begründung: »Es ist nur eine Phase.« Was aber leider nicht gleichbedeutend damit war, dass ich Juniors schlechte Laune und/oder Schlafverhalten besser aushielt, denn obwohl ich es mir immer wieder versicherte, konnte ich mir nicht vorstellen, dass es nur eine Phase war. Jedes Mal war ich mir sicher, dass es nie mehr aufhören würde, dass sich jetzt das wahre Wesen meines Sohnes entpuppt hatte, dass er von nun an bis zum Stimmbruch dreimal die Nacht schreiend aufwachen und tagsüber ausschließlich jammernd an meinem Bein zerren würde. Ich erinnere mich, dass mich der Mann an einem besonders anstrengenden Tag aufmuntern wollte, und wie hätte er es anders tun sollen als mit den Worten »Es ist nur eine Phase!«. Ich, den Tränen nahe, entgegnete verzweifelt: »Wenn das so ist, dann gibt es die guten Phasen nur, damit ich Kraft für die nächste schlechte sammeln kann.«
    Inzwischen habe ich mich bei der Phasengeschichte etwas entspannt. Wir haben einige durchlebt, und jedes Mal wurde mein Sohn vom beleidigten Stinkstiefel wieder zum lustigen Superkind. Auch wenn ich das Gefühl hatte, er würde nie damit aufhören, mir (zumindest ohne Grund) an den Haaren zu reißen, Papier zu essen oder beim Anblick jedes unerreichbaren Handys in wütendes Gebrüll auszubrechen, irgendwann war jede Phase vorbei. Diese Erfahrung hat dafür gesorgt, dass ich sie mit mehr Demut ertragen kann. Habe ich bei seinen ersten Zähnen zum Beispiel noch alles von kalten Löffeln über Sophie la Giraffe bis hin zu Beißring und Osanit probiert, mache ich inzwischen vor allem eines: mir so wenig Stress wie möglich. Ich warte ab. Ich nehme es hin. Klar bin ich genervt und finde es anstrengend, aber inzwischen habe ich ein bisschen besser verstanden, dass es wirklich »nur eine Phase« ist.
    Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: Ich werde so fatalistisch wie in seinen ersten Lebensmonaten, wenn er eine seiner Phasen hat, in der er schlecht schläft. Zwei unruhige Nächte reichen bei mir aus, dass ich mit Augenringen wie Satteltaschen in meine Zukunft blicke und darin nur noch einen Schatten meiner selbst sehe. In dieser Horrorphantasie verlässt mich der Mann für eine aufgeweckte Kollegin, und ich verursache durch Sekundenschlaf einen Verkehrsunfall mit mehreren Todesopfern. Wer mir da kommt mit »Ja, aber das ist ja auch nur eine Phase«, wird sofort Statist in meiner Unfallphantasie, und zwar nicht als Rettungswagenfahrer.
    Der andere Moment, in dem ich absolut gar nichts von Phase hören will, ist, wenn es gut läuft. Ich mache mir nämlich nur ungern die schöne Zeit durch den Gedanken kaputt, dass das Glück bald wieder vorbei und mein Sohn bald nicht mehr lustig, süß, artig und Superschlafkind ist. Muss ich auch gar nicht, denn das erledigen andere gern. Die Netten von ihnen sagen »Genieß es, so lange es dauert«, und die Doofen, Missgünstigen ersticken jede entspannte Stimmung im Keim und drohen »Das kann sich jederzeit wieder ändern«. Das sind die, die nur auf die nächste anstrengende Phase warten, damit sie altklug »Siehste!« nicken und sich ins Fäustchen lachen können. Aber ohne mich! Denn ich habe nicht nur gelernt, dass eine Phase wirklich eine Phase ist, sondern auch, dass ich bestimmten Leuten besser weismache, meine »Alles-super«-Phase dauere jetzt schon fast zwei Jahre.
    Das mache ich in schlechten Phasen:
    • Ich verlasse das Haus und treffe mich mit befreundeten Müttern. Meistens steigt die Laune von Sohn und Mutter mit der Ablenkung.
    • Ich rede mit Freundinnen, deren Kinder im gleichen Alter sind und somit meist in den gleichen Phasen stecken. Wenn nicht, kriege ich trotzdem Zuspruch, weil ja von ihnen jede weiß, wie das ist.
    • Ich sage mir immer wieder, dass es nur eine Phase ist und dass er nicht mit Absicht doof ist, sondern weil er sich nicht wohlfühlt.
    Jetzt bin ich doch die Sklavin.
    Die Unzufriedenheit darüber, dass das Kind die Kontrolle übernommen hat.
    Es fängt ganz harmlos an. Es ist schließlich sooo niedlich und kuschlig, wenn das Kind auf dem Arm einschläft. Es ist ja auch wirklich kein Problem, ein bisschen leiser zu sein, damit das Kind nicht wach wird. Und es macht mir auch ganz bestimmt nichts aus, etwas unbequemer zu liegen, wenn das Kind so besser toben/schlafen/essen kann. Diese verliebten Zugeständnisse gehen so lange gut, bis sich der Rücksichtsteufel einschleicht und aus dem

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