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Mutterliebst (German Edition)

Mutterliebst (German Edition)

Titel: Mutterliebst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antoinette van Heugten
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Des Moines bekommen konnte, muss einen kurzen Zwischenstopp in Dallas einlegen. Und danach steht ihr immer noch die verdammte Fahrt nach Plano bevor. Wieder und wieder hat sie versucht, Max zu erreichen, doch wenn er sich im Gerichtssaal aufhält, kann er sein iPhone natürlich nicht eingeschaltet lassen. Sicherlich wartet er schon verzweifelt auf ihre Ankunft. Wenn sie es nicht rechtzeitig schafft, wird ihr Junge darunter leiden müssen.
    Doaks hat nicht wieder versucht, sie anzurufen. Inständig hofft sie, dass er mittlerweile in Mariannes Hotelzimmer eingebrochen ist und etwas gefunden hat – irgendetwas, das sie mit Jonas’ Tod verbindet. Das zweite Tagebuch mit dem pinkfarbenen Roseneinband liegt in ihrem Schoß. Wenn sie von jetzt bis zur Landung in Des Moines durchliest, wird sie es bis zum Ende schaffen und auch noch die verbleibenden Computerdisketten durchgehen können. Keinesfalls darf sie zusammenklappen und angesichts all dieser Entsetzlichkeiten in Tränen ausbrechen. Sie ist Anwältin – eine Anwältin, die nach Beweismaterial sucht, um ihren Sohn und sich selbst zu entlasten. Sie öffnet das Buch und beginnt mit dem ersten Eintrag.
Liebe Doktor Joyce,
Ashleys Beerdigung war so befriedigend. Alle Blicke richteten sich auf mich, während ich in meiner schwarzen Trauerkleidung den Mittelgang der Kirche hinabschritt. Ich trug meinen dunklen Schleier, der mir zwar Durchblick gewährt, aber mein Gesicht vor ihren neugierigen Blicken verdeckt – genau wie bei Mata Hari. Ich habe einen wunderschönen Sarg in Grauweiß ausgesucht, der einen ganz blassen rosa Schimmer hat. Die Blumen erforderten ein wenig mehr Fingerspitzengefühl. Lilien sind zu deprimierend für ein vierjähriges Mädchen, deshalb habe ich Gänseblümchen ausgesucht – so frisch und unschuldig. Während der Trauerfeier war der Sarg geschlossen. Ich finde nicht, dass jeder alles sehen muss.
Das Highlight des Tages war jedoch Ashleys Kinderarzt, der jedem erzählte, was für eine wundervolle, fürsorgliche Mutter ich bin. Als er sich verabschiedete, ergriff er meine Hände und sagte mir, dass er nie eine Mutter erlebt habe, die solche Stärke und solchen Mut zeige angesichts zweier tragischer Verluste so kurz hintereinander. Jetzt ist es an der Zeit für den Leichenschmaus, und ich bin völlig erschöpft.
Die Arbeit einer Mutter ist nie zu Ende.
    Danielle bittet die Stewardess um einen Kaffee und blättert bis zum Ende des Tagebuchs vor. Zwei tote Kinder und wer weiß wie viele „Fehlgeburten“ bis jetzt. Die Seiten, die sie als Beweismittel einbringen möchte, hat sie mit Eselsohren markiert – vorausgesetzt, die Richterin lässt überhaupt zu, dass sie vor Gericht tritt und eine Zeugin befragt. Dann kann sie Mariannes Handschrift mit den ausufernden Schnörkeln in ihren Tagebüchern vergleichen. Wie sehr wünscht sie sich, zu wissen, für welche Taktik Sevillas sich bis jetzt entschieden hat. Daran, dass sie es ihm mit ihrem Verschwinden unmöglich gemacht hat, Max oder sie zu schützen, will sie gar nicht denken. Sie blickt auf den letzten Eintrag.
Liebe Doktor Joyce,
ich vermag es kaum, den Stift zu halten, so sehr flattert mein Herz. Mein Raymond ist tot – einfach so. Gestern Abend fühlte er sich nicht wohl, also habe ich seine Kissen aufgeschüttelt, und wir sind aneinandergeschmiegt schlafen gegangen. Mitten in der Nacht wachte ich auf und spürte etwas Kaltes, Klammes. Ich schaltete das Licht an, und – oh mein Gott – da lag er, die Augen weit geöffnet. Ich sah sofort, dass er einen Schlaganfall gehabt hatte. Er lag da und schaute mich an, aber er konnte sich nicht rühren. Ich habe keinen Notarzt gerufen. Ganz ehrlich? Ich brauchte einen Moment, um meine Möglichkeiten abzuwägen. Nach etwa fünfzehn Minuten erlitt er einen weiteren Schlaganfall und erstarrte. Ich habe seine Lebensfunktionen überprüft, und es gibt nichts drum herumzureden – er war mausetot.
Nachdem ich die Rettungskräfte verständigt hatte, habe ich Raymond mit einer alten Decke bedeckt (er hatte eingenässt) und bin hinuntergegangen, um seine Papiere durchzusehen. Ich musste den Stand meiner Finanzen überprüfen. Er hat mir nicht besonders viel vermacht, aber es wird reichen, um ein paar Jahre auszukommen. Ich habe kein Interesse daran, innerhalb kürzester Zeit wieder einen Mann zu finden. Erst mal muss ich diese Beerdigung hinter mich bringen und dann ein neues Leben beginnen.
Außerdem muss ich mich mit einem echten Problem befassen. Eigentlich

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