Mutterliebst (German Edition)
Prozess verbannen?“
„Unwahrscheinlich“, schätzt Sevillas. „Lass uns abwarten und erst mal die Fotos anschauen, ehe wir uns zu sehr freuen. Also, John, vielleicht kannst du uns jetzt sagen, wie dein Treffen mit Smythe verlaufen ist.“
„Wer ist das?“, erkundigt sich Danielle.
„Der Gerichtsmediziner. Er ist der Erste, der die Leiche untersucht hat.“
Doaks holt seinen schmuddeligen Notizblock hervor und nippt an seinem Kaffee. Er teilt sowohl das Gute als auch das Schlechte seines Gesprächs mit Smythe mit: die widersprüchlichen Hinweise auf die Todesursache, da Smythe sowohl punktförmige Blutungen (stecknadelgroße Blutflecken in den Augen) gefunden hat, die auf Erstickung hindeuten, als auch die zerfetzte Oberschenkelarterie, die Jonas innerhalb von wenigen Minuten getötet haben könnte. Er erklärt auch, zu welchen Ergebnissen Smythe bei der Untersuchung eines der Tatwaffe ähnlichen Kamms gekommen ist.
„Aber wie sollte Max einen solchen Angriff bewerkstelligen?“, fragt Danielle. „Jonas war mindestens zwanzig Pfund schwerer als er.“
Doaks schüttelt den Kopf. „Sorry, Miss P., aber Sie wissen genau, wie es ablaufen wird. Sie werden behaupten, dass, sobald ein Psycho einen Tobsuchtsanfall bekommt …“
Sevillas bemerkt Danielles gequälten Gesichtsausdruck. „Was Doaks damit sagen will …“
„… ist, dass er auch einen Güterzug hätte anheben können, wenn er gewollt hätte.“ Doaks wirft Sevillas einen finsteren Blick zu. „Und unterbrich mich nicht, verdammt noch mal.“
Danielle fährt fort. „Aber warum sollte der Mörder – der wahre Mörder – Jonas ersticken, wenn er doch schon seine Oberschenkelarterie zerschnitten hat? Das würde ihn doch sicherlich viel schneller töten.“
Doaks zuckt die Achseln. „Er wird es darauf schieben, dass Killer nicht immer klar denken, wenn sie jemanden kaltmachen.“
„Was ist mit Abwehrverletzungen?“, fragt Sevillas.
„Wäre möglich, aber der Gerichtsmediziner glaubt, dass das Opfer sie sich selbst zugefügt hat. Der Junge war bekannt dafür, weißt du.“
Danielle ist völlig niedergeschlagen. „Gibt es auch irgendetwas Positives?“
„Man weiß nie, was Smythe alles beisammenhaben wird, wenn er seinen Abschlussbericht schreibt“, tröstet Sevillas.
„Oh, ja“, stimmt Doaks zu. „Smythe war noch wegen einer anderen Sache neugierig. Er will ein paar weitere Tests machen, denn es sieht so aus, als hätte Jonas merkwürdige Blutwerte gehabt.“
„Welchen Unterschied soll das machen?“
Doaks zuckt die Schultern. „Wahrscheinlich gar keinen. Es hat ihn einfach neugierig gemacht, das ist alles.“
Danielle spürt einen Funken Hoffnung. „Wie ich bereits sagte, will ich wissen, welche Psychopharmaka Jonas und Max genommen haben. Das könnte eine Menge erklären.“
„Aber ob nun der Verstorbene falsch medikamentiert wurde oder nicht, hat nichts damit zu tun, wie er ermordet wurde“, wendet Sevillas ein.
„Natürlich hat es das“, widerspricht Danielle. „Wenn die Möglichkeit besteht, dass die Wunden selbst zugefügt waren, dann ist Jonas’ Geisteszustand zum Zeitpunkt seines Todes ganz entscheidend. Falls er unter dem Einfluss psychotropischer Medikamente stand, können sie eine direkte Auswirkung auf sein Verhalten gehabt haben.“
„Ein guter Punkt“, gibt Sevillas zu. „Aber das hilft uns nicht, was die Hinweise auf den Erstickungstod angeht.“
„Ist gar nicht so leicht, sich selbst zu ersticken“, murmelt Doaks.
Sevillas ignoriert ihn. „Falls Jonas, wie Smythe andeutet, durch Sauerstoffmangel gestorben ist, bevor er verblutete und seine Organe versagten, was ist dann unsere Theorie? Dass Jonas sich mehrfach mit dem Kamm verletzt, seine Oberschenkelarterie zerfetzt und sich dann jemanden vom Gang gepackt hat, um sich von ihm ersticken zu lassen? Und wie erklärt das Max’ Anwesenheit in seinem Zimmer, der keinerlei Abwehrwunden aufwies, aber von oben bis unten mit Jonas’ Blut besudelt war?“
Danielle bemüht sich sehr, ihre Frustration nicht zu zeigen. „Okay, okay.“
Sevillas wirft ihr einem mitfühlenden Blick zu. „Lasst uns abwarten, bis Smythe seinen Bericht abgeschlossen hat. Bis dahin sollten wir uns nicht entmutigen lassen.“ Er schraubt seinen Füllfederhalter auf und macht einige Notizen auf seinem Block. Als das Telefon klingelt, umrundet er den Tisch und nimmt den Anruf entgegen. Mit gesenktem Kopf murmelt er etwas in den Hörer. Seine Worte sind zu leise, um sie zu
Weitere Kostenlose Bücher