Mutterliebst (German Edition)
geschickt.“
„Haben Sie jemals versucht, sie in ihrem Haus in Chicago aufzusuchen?“
„Ein Mal“, entgegnet er. „Aber da war sie bereits ausgezogen.“
„Hat sie Sie seitdem kontaktiert?“
„Nein.“ Er wirft ihr einen hoffnungslosen Blick zu. „Warum?“
Danielle fällt nichts mehr ein, was sie noch fragen könnte. Sie hält den Brief hoch. „Darf ich den behalten?“
„Ich bitte Sie darum. Wenn ich ehrlich bin, will ich ihn nie wiedersehen.“ Er seufzt. „Wie auch immer, Miss Parkman, das ist meine Geschichte. Die traurige, erbärmliche Erzählung eines dummen alten Mannes, der betrogen wurde. Nichts Neues, da bin ich mir sicher.“
Danielle nickt. Jojanovich müht sich, aus seinem Sessel hochzukommen, so als habe der Bericht über seinen Niedergang ihn noch älter werden lassen. Danielle ergreift seinen Ellbogen, während er auf die Tür zugeht. Er lässt es zu. Als er seinen Hut aufsetzt und den Regenmantel zugürtet, öffnet sie die Tür.
„Doktor“, sagt sie. „Ich kann Ihnen gar nicht genug danken. Es hat Sie sehr viel Mut gekostet, heute hierherzukommen. Sie haben das Richtige getan.“
„Nicht früh genug, Miss Parkman“, erwidert er traurig. „Nicht annähernd früh genug.“
Die Tür schließt sich hinter ihm. Danielle dreht sich um und tritt ans Fenster. Alles, was Jojanovich ihr erzählt hat, wirbelt in ihrem Kopf herum, während sie versucht, es mit Marianne in Maitland, mit Jonas’ Tod und Max’ Medikamenten in Verbindung zu bringen. Sie wirft einen Blick auf ihre Reisetasche. Sie fliegt nirgendwohin, solange sie nicht weiß, wie all das zusammenpasst. Vor ihr breitet sich die glitzernde Stadt aus, doch sie sieht nichts von alledem. Ein Kribbeln jagt über ihren Rücken. Sie ist wie elektrisiert.
27. KAPITEL
Danielle starrt nach draußen, während die Lichter der City an ihr vorbeiziehen. Sie und Doaks sind auf dem Weg zum Flughafen von Chicago. Sie beendet ihre Arbeit auf dem Laptop und steckt den Computer wieder in die Tasche. Die Fahrt verläuft schweigsam. Sie befinden sich in einer Sackgasse. Trotz der Informationen, die sie gemeinschaftlich zu Marianne zusammengetragen haben, besteht Doaks darauf, dass sie erst Sevillas anrufen, ehe sie die Nachforschungen weitertreiben. Danielle will, dass sie nach Phoenix weiterreisen. Der Verkehr ist mörderisch.
Doaks wirft ihr sein Handy zu. „Rufen Sie ihn an.“
Sie schaut ihn lange an. „Warum? Sie wissen ganz genau, was er sagen wird.“
„Und Sie wissen, dass er recht hat.“ Er nimmt ihr das Handy ab und tippt eine Nummer ein. Es entsteht eine Pause. „Ja, ja, ich weiß. Hey, scheiß mich nicht zusammen, sie ist deine Mandantin, schon vergessen?“ Eine weitere Pause. „Nun, wir haben ein paar gute Sachen rausgefunden.“ Doaks fasst zusammen, was er und Danielle in Sachen Marianne entdeckt haben: ihre Affäre und die erfolgreiche Erpressung von Jojanovich, die Fälschung von Jonas’ Patientenakte, und Doaks’ Fund von Mariannes Adresse in Phoenix. Wieder entsteht ein langes Schweigen. „Ja, ich höre dich. Bin ja nicht taub. Keine Chance. Ich bin nicht dein Botenjunge. Sag es ihr selbst.“ Er streckt Danielle das Handy entgegen.
Sie seufzt und presst es ans Ohr. Vor ihrem inneren Auge sieht sie Sevillas’ unwirschen Gesichtsausdruck, seinen mühsam kontrollierten Zorn. „Hallo.“
„Das ist alles?“ Die Worte sind wie Peitschenhiebe. „Das ist alles, was du mir zu sagen hast?“
„Tony, pass auf, es tut mir leid …“
„Versuch es gar nicht erst, Danielle.“ Frustration und Sorge sind seiner Stimme deutlich anzuhören. „Setz dich in dieses Flugzeug. Ich will keine Entschuldigungen, ich will keine Erklärungen. Du musst einfach morgen früh bei dieser Anhörung vor Gericht erscheinen. Hast du eine Vorstellung davon, in welche Lage du mich bringst, wenn du bei der Anhörung über deine vorläufige Haftentlassung nicht anwesend bist? Ich werde mich nicht unmoralisch verhalten oder meinen Ruf als Anwalt ruinieren, nur damit du auf irgendeine lächerliche Hexenjagd gehen kannst.“
„Ich weiß, dass ich dich in eine schreckliche Lage gebracht habe, aber …“
„Vergiss mich“, unterbrach er sie. „Denk lieber an dich selbst. Denk an Max.“
„Genau an den denke ich.“
Seine Worte sind wie Hammerschläge auf gefrorenem Metall. „Ach ja? Im Moment ist dein Sohn so völlig außer sich, weil du ihn verlassen hast, dass er sich bis an die Belastungsgrenze treibt, um zu beweisen, dass es
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