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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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sich sicher und vertrauenswürdig fühlen können, und in dem Sie den Mut finden, Ihre Fähigkeiten als Mutter zu erkunden.«
    Â 
    So beschreiben es Bruschweiler und Stern in ihrem Buch Geburt einer Mutter . Und das kling äußerst logisch. Wer liegt da für mich theoretisch näher als meine eigene Mutter? Schließlich verstehen wir uns prima und sie hat immer behauptet,
die Zeit mit ihren Kindern aus vollen Zügen genossen zu haben.
    Aber so einfach ist das mit dem Vorbild gar nicht.

Im Perfektionsrausch
    Â»Kind, was siehst du blass aus!« Meine Mutter schaut mich besorgt an. »Meinst du nicht, du solltest mal etwas ausruhen?«
    Â»Mutti, wie soll ich mich ausruhen! Ich habe ein Baby!« Aufgebracht blitze ich sie an.
    Â»Ja, aber ich meine ja nur. Es muss doch nicht immer alles so perfekt sein. Vielleicht solltest du mal etwas locker lassen.« Freundlich lächelt sie mir zu.
    Â»Mutti«, seufze ich genervt. »Das ist nicht mehr so wie früher bei euch. Das ist nicht mehr so locker. Man muss da ständig aufpassen!«
    Â»Vielleicht solltest du das nicht alles so ernst nehmen«, sagt sie vorsichtig.
    Â»Du hast gut reden«, antworte ich wütend.
    Â 
    Düster beiße ich auf meine Unterlippe. Ganz klar, meine Mutter geht völlig anders an die Mutterschaft heran als ich. Sie hält mich für übervorsichtig, überängstlich und verbissen. Denn es ist keineswegs die gestrenge Großmutter, die die junge Mutter zu Vorsicht und Sorgfalt im Umgang mit dem Kleinkind mahnt. Nein, es ist die junge, gut informierte Tochter - also ich -, die die Großmutter laufend vor Risiken und Gefahren warnt. In allen Kinderfragen ist meine Mutter viel unbekümmerter und spontaner als ich. Gegen mich alte Oberglucke wirkt meine Mutter geradezu jugendlich leichtsinnig, ob es um Aufsicht, Ernährung, Pflege, Unterhaltung, Transport oder die Sicherung der Umgebung geht. Ich habe laufend das ermüdende Gefühl, meine Mutter in das Handwerk der Mutterschaft einweihen zu müssen, und nicht umgekehrt. Sie hat uns Kinder früher unbekümmert zu Großtanten gegeben, die zwar nett waren, aber selbst nie Kinder
hatten. Ich traue mich nicht mal, mein Kind meiner erfahrenen Mutter für zwei Stunden zu geben, ohne ihr vorher ellenlange Vorträge über Sicherheitsvorkehrungen zu halten.
    Das kommt meiner Mutter merkwürdig vor. Sie will einfach nicht sehen, dass nicht ich verbissen bin, sondern die Situation. Sie kann nicht glauben, dass man heutzutage von uns jungen Müttern erwartet, jegliche Gefahr, Krankheit und Risiko von den Kindern fernzuhalten, um deren lebenslanges Glück, deren Erfolg und Gesundheit zu verursachen. Sie hält diese Erwartungen für reichlich weltfremd und schüttelt insgeheim den Kopf über meinen Eifer.
    Sie kann gut reden. Sie hatte sie ja nicht - die pränatale Diagnostik, die dauernden Warnungen vor Risiko, Krankheit und Gefahr, die mahnenden Broschüren, Bücher und Instruktionen, die Kinderuntersuchungshefte und hochgesteckten Ziele. Zu ihrer Zeit gab es zwar Ratgeberliteratur zur Pflege und Erziehung von Kindern, aber sie war noch nicht sehr verbreitet. Meine Mutter las keine Bücher zur Erziehung von Kindern und fand die Frauen auch immer etwas seltsam, die in Büchern nach dem richtigen Umgang mit ihren Kindern suchten. Sie war der Meinung, dass das eigene Gefühl und der eigene Instinkt die besten Ratgeber seien. Das konnte sie auch so locker denken, weil es sie ja für sie noch nicht gab, die »Mutterschuld«.
    Oder - schießt es mir schmerzhaft durch den Kopf - hat sie recht? Bin ich vielleicht zu perfektionistisch?
    Wieder einmal zweifle ich, ob ich zur Mutterschaft überhaupt geeignet bin …
    Â 
    Aber wer versteht meine Lage? Wer bestärkt mich in meinen Nöten? Wo finde ich Seelenverwandte, die den Druck genauso spüren wie ich? Keine Frage, unter anderen Müttern mit Kindern. Es ist eine Tatsache, dass junge Mütter nahezu ausschließlich die Nähe von jungen Müttern suchen. Ja, es scheint eine Art biologischer Zwang von Müttern zu sein, andere Mütter aufzuspüren und sich paarweise oder in Gruppen zu sammeln. Alte Freundinnen mit Kindern - vorher oft instinktiv gemieden, weil deren Leben wenig kompatibel
mit dem eigenen kinderlosen Leben schien - sind schlagartig unglaublich interessant. Auf einmal könnte ich stundenlang mit ihnen plaudern und

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