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Mutterschuldgefuehl

Titel: Mutterschuldgefuehl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Hartmann
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einen Malzkaffee trinken. Es gibt ein unendlich weites Gesprächsthemenfeld: das Kind. Endlich kann ich jemanden fragen, der die neuesten Trends der Kindererziehung genauso verinnerlicht hat wie ich.
    Â 
    Â»Wie oft bist du denn nachts aufgestanden?«
    Â»Wie habt ihr eure Wohnung sicher gemacht?
    Â»Wie lange hast du gestillt?«
    Â 
    Und die andere nickt wissend, erzählt aus ihrem Erfahrungsschatz und gemeinsam gehen wir die wichtigen Dinge des Lebens durch.
    Kinderlose Freundinnen finden mich jetzt meist wenig amüsant. Junge Mütter können mit erstaunlicher Akribie über Windelinhalte, Schlafgewohnheiten, Babygarderobe und Stillpläne reden, ohne sich um aufkeimende Unruhe beim Gegenüber zu kümmern.
    Bald ist die eine Freundin gelangweilt (»Ich muss jetzt leider weg!«), die andere ist eifersüchtig (»Mein Gott, muss sich denn wirklich immer alles um das Kind drehen?«), die dritte hat kein Faible für Babys (»Sei mir nicht böse, Schätzchen, aber ich mag Kinder nicht besonders.«) und die vierte ist neidisch (»Hast du dir das mit einem Kind wirklich gut überlegt?«). Alle zusammen haben zwar keine Kinder, wissen aber immer alles besser.
    Und ich, ich grolle manchmal und bin zickig, wenn ich mitansehen muss, wie beneidenswert frei sich meine kinderlosen Freundinnen bewegen, wie sie ausschlafen und ausgehen und erfolgreich im Beruf sind. Ich habe lange so gelebt wie sie und ehrgeizig auf eine berufliche Karriere hingearbeitet. Mutterschaft heißt nicht, sämtliche Allüren fahren zu lassen.
    Das alles sind Gründe, dass Treffen mit meinen alten Freundinnen immer weniger werden, bis sie schließlich ganz aufhören.

Es lebe die Mutter-Kind-Bewegung!
    Glücklicherweise habe ich gute Aussichten, neue Freundinnen zu finden. Es gibt eine Vielzahl von Kursen, die sich gezielt an Mütter mit Baby wenden: Gruppenangebote zum Stillen, zur Babymassage, zur Ernährung, zum Tragetuchbinden, zum PEKiP, zum Babyturnen und vielen anderen interessanten Dingen, die eine Mutter lernen sollte, um ihrem Kind von Anfang an optimale Startbedingungen verschaffen zu können. Unter professioneller Anleitung treffen Frauen mit Kindern andere Frauen mit Kindern.
    Früher, ab den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts, soll es Frauengruppen gegeben haben, in denen Mütter über Frauenbewegung, Frauenpower, Feminismus und das eigene Selbstverständnis als Frau und Mutter diskutierten. Das hatte den unschönen Nebeneffekt, dass Frauen miteinander stritten. Heute machen wir Mütter in Gruppen so etwas nicht mehr. Wir geben uns unpolitisch. Die Wörter »Feminismus« oder »Emanzipation« kommen in Gruppengesprächen nie vor und würden auch deplatziert wirken, ja, sogar geschmacklos und beleidigend. Schließlich halten wir uns alle für gleichberechtigt und jede, die uns eines anderen belehren möchte, nur weil wir jetzt Kinder haben, macht sich sofort unbeliebt. Wir reden nicht gerne von Emanzipation, wir reden von uns als »moderne Mütter«.
    Die Grundidee unter modernen Müttern ist nicht, sich auseinanderzusetzen, sondern sich hinzusetzen, um den Nachwuchs in professionell geführten Gruppen zu fördern und sich zu informieren, wie man ihn darüber hinaus effizient fördern kann. Deshalb heißen wir Frauen in Gruppen auch nicht mehr »Frauengruppen«, sondern »Mutter-Kind-Gruppen«, »Stillgruppen«, »PEKiP-Gruppen«, »Babymassagegruppen«, »Babyschwimmgruppen«, »Krabbelgruppen« oder »Spielgruppen«. Die Frauenbewegung ist tot, es lebe die Mutter-Kind-Bewegung! Das Kind bewegt sich, die Mutter begleitet es wohlwollend. Es soll spielerisch lernen, es soll unter Gleichaltrige kommen und Sozialverhalten einüben. Im Prinzip sind diese Versammlungen nichts anderes als gut
organisierte Arbeitstreffen, in denen Mütter sich wie Kolleginnen über ihre Projekte austauschen und sich gegenseitig auf dem neuesten Stand der Forschung halten. Wir wollen die erste Zeit mit unserem Kind genießen. Diese Arbeitstreffen erleichtern das Handwerk und geben uns die Möglichkeit, ein gutes Netzwerk aufzubauen.
    Aber welchen Kurs soll ich als Einstieg nehmen? Private Frühförderung boomt. Was vor Jahren mit den Klassikern PEKiP und Babyschwimmen begann, nimmt heute weite Dimensionen an. In den politischen Diskussionen, in Zeitungen, Zeitschriften und Broschüren, im Internet, in

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