Muttersoehnchen
im Internet aufgetan haben und womöglich am Anfang der Verbreitungskette stehen, passt so gar nicht in die Köpfe von Guteltern.
Auf den letzten drei Zeilen seines Memorandums wiederholte der Oberpädagoge in Fettschrift die längst bekannte Regel: Handys sind mit Betreten des Schulgeländes auszuschalten und wegzupacken. Und wie immer warb er um Unterstützung und Verständnis der Eltern. Wer sollte etwas einzuwenden wagen? Vielleicht nur, dass die Anweisung nicht zu kontrollieren und damit nicht durchzusetzen war. Bestenfalls taugte sie als Diskussionsgrundlage.
Es ist schon verrückt. In meiner Schulzeit hätte uns niemand einen Fotoapparat, eine Stereoanlage, einen Fernseher, eine Schreibmaschine und ein Telefon mitgegeben. Heute erscheint der Schüler von Welt voll aufgerüstet im Klassenzimmer und offenbart jene unliebsamen Charaktereigenschaften, die wir glaubten durch stundenlange Debatten abgeschafft zu haben. Denn hinter den Kulissen organisieren die Kids eine Sozialauslese, von der die Mütter und Väter der modernen Mittelschicht keine blasse Ahnung haben. Nur die türkischen Jungs mackern noch offensichtlich rum.
Im Fernsehen werden Social Spots ausgestrahlt, von der Europäischen Union in Auftrag gegeben, um uns für die Missbrauchs-Problematik zu sensibilisieren. So weit, so wichtig. Und so nutzlos. Unsereiner hielt sich schon damals nicht mehr an die Regeln, die gerade im Stuhlkreis einvernehmlich beschlossen worden waren, kaum dass wir auf dem Pausenhof standen. Und unsere Kids verhalten sich offenbar genauso. Allgemeine Ansagen beeindrucken sie nicht, und konkrete Konsequenzen gibt es kaum.
Der vorsichtige Test eines Handy-Verbotes in der Schule sagt schon alles. In seinem eindringlichen Appell bat der Direktor uns Eltern, den Kindern nicht so teure Alleskönner-Geräte mitzugeben. Netter Versuch, mehr nicht. Ein Schulleiter kann eben nicht sagen: So läuft das hier nicht! Wen ich erwische, der fliegt! Er kann kein Handy elegant in die Toilette gleiten lassen und auch keine Lösungen anbieten wie diese: Ab Montag hängt das Mama-Telefon
vor dem Sekretariat zum folgenden Tarif: 99 Cent/Min ausgehende Anrufe, 1,99 Cent/Min eingehende Anrufe. Bitte geordnet in der Schlange anstellen. All das kann er nicht sagen, denn der Schulleiter ist per Dienstanweisung ein König ohne Land und seine übermächtigen Gegner sind die Mütter.
Ein Theaterabend in der Schule versöhnte mich etwas und beruhigte mich enorm. Wie jedes Jahr vor den Sommerferien gab sich der Literaturkreis die Ehre. Die Zwölftklässler spielten ihre Eigeninszenierung »Ab in die Kiste«. Es ging um Kartons, zu denen sie sich kleine Stücke ausgedacht hatten. So bauten sie beispielsweise das perfekte Designerkind zusammen, und sie erinnerten an Nintendos Super-Mario, der ja auch über Kisten sprang. Sie persiflierten den Fernsehkonsum und den Wellnesswahn. Sie karikierten überdrehte Kunstsachverständige, Casting-Shows, das Speeddating, die Finanzkrise und den Unterricht ihrer Lehrer. Zusammengefasst: Sie haben schon mitbekommen, was läuft. Sie sind kritisch, aber ihre Kritik sieht ganz anders aus als unsere seinerzeit: Deutlich unterhaltsamer.
Die Multimedia-Kids wissen schon in jungen Jahren, dass die weltweite Vernetzung erstens nicht nur intelligente Information produziert, und zweitens, wenn sie es täte, dies nicht in die Überintelligenz, sondern in die Banalität führt. Sie wissen es, und es erschreckt sie nicht. Es ist lediglich ein Fakt, mit dem sie jetzt schon umgehen. Entgegen allen Annahmen bloggen nicht junge Leute am häufigsten, sondern unsere Generation und die Frühpensionäre. Mein Schwiegervater war vom Fernseher auch kaum wegzubekommen, weil er die erste Hälfte seines Lebens ohne verbringen musste.
Der weiche Patrick hat scheinbar schon verstanden, was die Genderpolitik von ihm will. Die christdemokratische Familienministerin Kristina Schröder macht ernst mit der Chancengleichheit und hat den ersten bundesweiten Boys Day angekündigt, um Jungen für den Beruf des Erziehers, Alten- und Krankenpflegers zu begeistern. Die Informationsveranstaltungen sollen sie sensibilisieren, typisches Rollenverhalten zu hinterfragen. Und weil Jungs schwer von Begriff sind, unterstützt sie das Ministerium das ganze Jahr über mit dem offiziellen Vernetzungsprojekt Neue
Wege für Jungs . So finden sie ganz leicht den Weg in die Spreekita und wissen auch schon bald im Haushalt Bescheid.
Das Projekt begeistert selbst meinen
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