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Muttersoehnchen

Muttersoehnchen

Titel: Muttersoehnchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Fink
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leicht und natürlich, nicht künstlich. Und sie selbst wirkte authentisch offen. Sie hatte ihre Erotik eindrucksvoll selbstverständlich inszeniert.
    Maik mauserte sich derweil zum duftenden Adonis mit Strahlegebiss. Ich fand erst nichts dabei, dass er sich im Fitness-Studio anmeldete. Schon James Dean war sichtbar eitel gewesen, also warum nicht. Und für unseren Alltag war das allemal angenehmer als üble Gerüche aus einem untrainierten Body. Die Zahnspange war unter Kassen- wie Privatpatienten ohnehin längst zum Statussymbol avanciert. Es gab in unserem beschaulichen Waltons Mountain kein einziges Kind, dessen Zähne nicht verdrahtet wurden. Es gibt nicht mehr genug Platz für alle Zähne, freute sich der Kieferorthopäde, der zum Beweis, dass es nie zu spät ist, selbst Brackets trug und alles gab, damit meine Kinder nicht ihrer Zähne wegen diskriminiert wurden, gedissed , wie sie es nannten.
    Maiks Look hatte eine Portion gesetzte Unbeholfenheit, er wirkte längst nicht so erwachsen, wie es die Burschen zu meiner Jugend mimten. Sieht er vielleicht so aus, der Nachfolger des Neuen Mannes? Des zukünftigen Frauenverstehers Haare waren nicht irgendwie auf strubbelig getrimmt, sondern mit Gel kontrolliert unordentlich. Jede Strähne des halblangen Schopfes und des langen Ponys wurde bewusst platziert. Wie bei Omas Einlegefrisur. Ihre Haare durfte ich nie anfassen, seine auch nicht.
    Maik trug als Zeichen seiner Ursprünglichkeit ein breites Lederarmband und als Ausdruck seines Modebewusstseins den zeitgeistigen
Lagenlook: Kurzarmshirt über Langarmshirt. Und er trug jede Hose unterm Schritt. Nichts machte mich aggressiver, als der Anblick dieser Hosen. »Die Mode lehnt sich an Gefangene an«, klärte mich mal ein abgeklärter Vater auf. Wenn man den meist abgemagerten Häftlingen die Gürtel wegnahm, rutschte die Hose genau dort hin, wohin mein Sohn sie in Freiheit sorgfältig zog. Die verwahrloste Gesamterscheinung kam aus der Untergrundszene, es war der Look des modernen Steppenwolfes, der einsam durch das Global Village streifte. Der aufgeklärte Vater ergänzte noch, dass es sich locker bis 25 hinziehen könne, bis die Hose wieder richtig säße. So sei es zumindest bei seinem Sohn gewesen.
    Mein Maik orientierte sich an Musikern. Sein Favorit war der Style der Gruppe Red Hot Chili Peppers . Da gibt es Schlimmeres, fand ich, beispielsweise den metrosexuellen David Beckham.
    Während ich mich Adenauers gelebter Überzeugungen annehme, kämpft Lysa mit der Verletzung, die so alt ist wie die Vertreibung aus dem Paradies: verschmähte Liebe. Alles ist nichts ohne ihn, und sie selbst zählt auch nichts. Das Mädchen ist komplett abhängig von Patricks Blick auf sie. Dabei mischt sie Aggression und Hysterie in ihre Tränen. Meine kleine Narzisse ist nun ein Zornröschen: Sie schreit und sie tobt. Wie kann Patrick sich erlauben, sie nicht mehr zu lieben? Sie verübelt ihm, dass er ihre Pläne durchkreuzt und sie vom Podest des attraktivsten Mädchens der Welt gestoßen hat. Sie wollten doch im Sommer eine Woche in London verbringen und hatten auch schon geplant, nächstes Frühjahr ins James-Blunt-Konzert zu gehen. Lysa muss nun ihr Leben ganz von vorn anfangen, und sie ärgert sich überdies, nicht zu wissen, mit wem sie fortan auf alle Fälle die Wochenenden verbringt.
    Ich schwanke zwischen tröstlichem Zuspruch und einer Ohrfeige, die sie wachrütteln könnte. Ich gehe mit ihr shoppen und bezahle klaglos alle Outfits, von denen sie sich einige unter normalen Umständen hätte selber kaufen müssen. Aber das hellt ihre Stimmung nur sehr kurzzeitig auf. Anderntags brülle ich sie an, dass sie Patrick doch endlich vergessen soll, weil einer wie der sie immer wieder hängen lassen wird. Schließlich schlage ich ihr vor, sie solle ihm einen Tausch vorschlagen: die James-Blunt-Karte, die er als Geburtstagsgeschenk für sie angekündigt, aber noch nicht überreicht
hat, gegen seine Abiball-Karte, die wir ihm ursprünglich mal spendieren wollten. Das sollte ihn daran erinnern, dass er noch seine Versprechen einlösen muss. Rolf meint, ich sei kleinkariert, und rät: Laufen lassen. Das ärgert mich. Immer soll ich nichts tun.

    Maik war auch schon einmal verliebt, in Nora, ein Mädchen aus seiner Parallelklasse. Sie war schön, klug und anspruchsvoll. Später gehörte Nora zu den zehn Besten im Abitur. Sie hatte einen ungezogenen Hund, mit dem die beiden fortan gemeinsam Gassi gingen. Sie war erst 15, aber weiter als

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