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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Natürlich durfte er das. Aber ein paar, darunter Giacomo selbst und Katze, sagten: Er hätte das schon sagen können. Von Müssen kann im Frei-Chor keine Rede sein, aber sagen hätte er das schon können. Ich gestand, dass mich diese Ausschreibung gereizt habe, ich wisse nicht, warum, und weil ich das nicht gewusst hätte, habe ich auch im Stadel nichts davon gesagt. Aber, sagte ich, ich gestehe sofort, dass mir bei diesem Nichtssagen nicht ganz wohl gewesen sei. Und ich hätte noch davon angefangen, auch wenn Giacomo jetzt nicht davon angefangen hätte. Dass es nichts sei, was ich habe verheimlichen wollen, sei klar. Dass dergleichen in der Zeitung stehe, sei auch klar.
    So kriegte ich das im Stadel hin. Dass ich durch die Ballonjagd eine Kursantin gewonnen hatte und was mir das bedeutete, sagte ich nicht, und hatte auch keine Sekunde lang ein schlechtes Gewissen wegen dieses erneuten Verschweigens.
     
    Seiner Schülerin hat er leihweise eine G 650 verschafft. Zum Übungsplatz kam sie mit einem Saab. Er legte die Stunden so, dass sie auf dem Übungsplatz allein waren, und warnte sie blumig vor den Potenzen dieser so leicht aussehenden BMW 650. Wenn sie bei der die Kupplung zu hastig loslasse, gehe die vorne richtig hoch, als wolle sie sie abwerfen. Noch nie war er so froh, dass er auf dem Motorrad gelandet war. Er würde eine große Fahrerin aus ihr machen. In diese handliche und leichte G 650 verliebte sich die Doktorin. Auf jeden Fall sagte sie das. Von Therapie wurde nicht mehr geredet. Wenn aber das, Unterricht bei ihm zu nehmen, Therapie war? Das wagte er nicht zu fragen.
    Das schöne Fieber wird zusammenbrechen. Solange alles noch nichts ist, ist alles gut. Jede Welt, deren Schöpfung unterbleibt, ist ein Glücksfall.
    Die praktische Prüfung bestand sie spielend, im Theoretischen war sie dem Prüfer überlegen. Dann drehten sie hinter einander das Rohrach hinauf und fielen droben irgendwo hinter Scheidegg glücklich ins duftige Heu.
     
    Klammere Elsa aus aus allen Gebeten und Flüchen. Sie darf keiner Vergleicherei ausgesetzt werden.
    Alles, was Elsa jetzt für mich tat, tat weh. Ich musste andauernd mit ihr schlafen. Gewissermaßen wütend musste ich schlafen mit ihr. Fast vergewaltigen musste ich sie.
    Und dann, wenn es bei ihr so weit ist, ihr Lachen. Es ist das höchste, schönste, ungeheuerste Lachen der Welt. Immer wenn sie so weit ist, dieses Lachen. Keine Spur von Gelächter. Das leichteste Lachen der Welt. Ja, das ist es. Das schwereloseste Lachen der Welt. Nicht lang. Nur so dahingelacht. Kein Lachen aus der Kehle, sondern aus der Seele. Dieses Lachen holte mich heim. Ich wollte nirgends sein als bei diesem Lachen.
    Das Wachsenlassen künftigen Unglücks.
     
    Mit Dr. Silvia Schall zu telefonieren, ist einfach. Am Mittwoch, am Donnerstag und am Freitag ist Elsa bei ihren Chören, Proben und Stimmbildung, und kommt immer spät heim. Immer erschöpft. Glücklich erschöpft. Und ist nie schöner, als wenn sie glücklich erschöpft heimkommt. Dann sinkt sie von selber an mich hin. Manchmal summt sie noch. So, als wolle sie sich eines Glücks versichern. Dass es noch einen Augenblick lang bleibe. Sie will mich teilhaben lassen an dem Musikglück, das sie den Abend lang erlebt hat. Produziert hat. Dann weiß ich: Schöner kann eine Frau nicht sein als durch Musik. Und nichts ist so sicher wie das: Wir sind ein Paar. Wir sind das Paar. Wenn ich am Dienstag Theorie habe, holt Elsa mich manchmal ab, nimmt mich mit.
    Elsa am Steuer. Plötzlich diese aufwallende Zärtlichkeit. Ich hätte sie gern gestreichelt. Warum biegt sie nicht in den nächsten Waldweg ein?
    Elsa ruft mich zum Essen. Wir sitzen einander gegenüber. Elsa spürt, dass sie fragen müsse, was sei. Ich müsse, sage ich, manchmal an diese Frau Dr. Schall denken. Sie geht mir nicht aus dem Kopf, sage ich. Dann lass sie drin, sagt Elsa und lacht.
    Und ich: Ich fürchte, etwas anderes bleibt mir gar nicht übrig.
    Jetzt Elsa, doch ein bisschen empört: Mein Gott!
    Ich, nach dem ich den ersten Löffel Suppe gegessen habe: Deine Kürbissuppe ist besser als alles, was es zur Zeit gibt in dieser Welt. Diese fabelhafte Schärfe? Das ist doch nicht Curry! Sie zieht ihre sanften Augenbrauen hoch, sieht mich über ihren Löffel hinweg an und sagt: Ingwer.
    Ich muss einmal, sage ich, alle deine Suppen aufschreiben. Ja, lach nur. Es wäre die einzige Möglichkeit, wie ich der Menschheit nützen könnte.
    Ich kann dann manchmal solche Sätze sagen: Elsa,

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