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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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Schriftsteller organisierten Kulturtour.
    Unglücklich verlaufende Geschichten hören nie auf. Was nicht glückt, wird nie aufgegeben. Ihre ständige Sprechbereitschaft für den Schriftsteller bewies es, ein Jahr ums andere. Er fuhr bei ihr vor im Bademantel, darunter nichts. Und sie? Das würde sie ihm nie sagen.
     
    Sobald Elsa sich auszieht, wirkt sie auf mich. Mit Elsa zu schlafen, ist durch Silvi mit einem absoluten Verbot belegt. Andererseits hat sie ihm als Therapeutin beigebracht, dass er endlich nichts mehr einem anderen zuliebe tun dürfe, sondern immer nur das, was er selber tun will. Es kommt mir vor wie die Steigerung der Kaltblütigkeit.
     
    Belegt. Kaum zurück, war sie schon wieder belegt. Dass man auf diesen Besetztton trifft, hat etwas Niederdrückendes jenseits aller dafür aufzufindenden Gründe.
    Während er bei ihr war, rief der Schriftsteller an. Seine lockeren Angebote waren im ganzen Raum zu hören. Silvi: Bist du schon ganz krumm vor schlechtem Gewissen. Weniger denn je, rief er. Tilda, seine Frau, habe sich mit allem abgefunden. Gratuliere, sagte Silvi. Und schloss: Sie habe Besuch. Tschau.
    Er scheut sich, den Anteil des Geschlechtlichen zu erwähnen. Andererseits wäre, ohne das Geschlechtliche über alles andere herrschen zu lassen, von diesem Verlauf überhaupt nicht zu reden. Aber da ohnehin überall von nichts anderem als vom Geschlechtlichen geredet wird, da nichts gezeigt wird, nichts vorkommt als das Geschlechtliche, möchte er zu dieser Allgegenwart des Geschlechtlichen nicht auch noch beitragen.
     
    Die Liebe mit Elsa war nie gesprächsfreudig. Ihr Blick. Ihre Augen erleben, was wir tun. Ihre Augen sagen alles. Sie sagt nichts. Dass Augen so glänzen können. Ihr Augen sind stolz auf das, was passiert.
    Sie behandelt mich gern wie einen, den sie retten muss. Reibt mich ein von oben bis unten mit Zimtöl. Oft muss ich den Schlafenden spielen, dass sie einschlafen kann. Ich warte darauf, dass sie mir sagen kann, wie es in ihren Träumen, in ihren Angstträumen zugeht. Sie weiß, dass ich darauf warte. Wir sind erst wirklich verheiratet, wenn du von mir träumst, habe ich gesagt. Hoffentlich nicht, hat sie gesagt.
     
    Silvi, eine Redebegabung, eine Wörterbegleitung. Solang es mehr der Natur als dem Willen entspricht, ist es gut. Sicher ist, dass Elsa Natur ist. Silvi ist … Zivilisation.
     
    Als ich zurückkam, saß Elsa am Flügel und spielte ihren Bach. Ich begriff: Ohne Elsa war alles ein Unglück. Ohne Silvi auch.
     
    Sie habe, als es besetzt gewesen war, mit ihrem Vater telefoniert. Glaubhaft durch den Satz: Zum Glück bist du nicht wie mein Vater.
    Silvi, als es Dezember geworden war: Wenn er für den nächsten Sommer nichts Gemeinsames schaffe, breche sie aus. Und wenn er auch dann, sie könne es nicht anders sagen, seinen Arsch nicht hochbringe, dann sei es ganz aus.
    Für ihre Unerreichbarkeit die einfachsten Erklärungen: unter der Dusche, beim Föhnen, das Handy nicht dabei.
    Sie wacht am Morgen schon mit der Sehnsucht auf. Ihre Hand schon zwischen ihren Schenkeln.
     
    Gestern zu Elsa: Zugegeben, alle Brüste holen meine Blicke. Aber nur, weil sie mich an deine Brüste erinnern.
    Elsa: Das wäre wahr, wenn du es nicht gesagt hättest.
     
    Wenn ich gehe, hast du mich verlassen, sagte Silvi. Und er: Das ist ein guter Satz.
    Am meisten sagt, was er ist, das Wort
unmöglich
. Er kann das feststellen ohne Regung. Ein bisschen Angst davor, eines Tages dafür vernichtet zu werden. Ein bisschen Hoffnung, dass die Zukunft für ihn mehr Verständnis haben könnte als die Gegenwart. Und die Hoffnung, innen seien alle gleich asozial, illegitim, unmöglich.
    Silvi: Mir platzt der Mund vor nichtgesagten Sätzen.
    Ich würde dich gern heraushauen dort.
     
    Elsa darf nicht merken, dass sie mich schützen muss. Je mehr man einen Süchtigen schützen will, umso gewalttätiger will er ausbrechen.
     
    Ihr Auto da, das Fahrrad da, in der Küche die Schüssel mit dem Salat, unangemacht, die Tasse mit der Salatsauce, im Ofen das Lammfilet, auf der Herdplatte die Pfanne, darin das Olivenöl für die Kartoffeln, die geschält und geschnitten danebenliegen. Aber sie?
    Allmählich merkte ich, wie leer das Haus war. Ihr Name geriet mir zu einem Schrei. Ich spürte ihre furchtbare Überlegenheit. Sie triumphierte. Über mich. Ich trank eine Flasche Rotwein aus. Ich wollte mich so lächerlich aufführen, wie ich war. Eine Flasche Rioja Reserva, Jahrgang 1988. Das hat sie gewusst, dass ich

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