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Muttersohn

Muttersohn

Titel: Muttersohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Walser
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ich liebe dich mehr, als ich sagen kann. Also wirst du nie erfahren, wie ich dich liebe.
    Dann Elsa: Ich liebe deine Arien. Zum Glück brauchen wir keine Rezitative.
    Elsa, als sie uns durchs Allgäu fuhr: Zum Glück gibt es Tiere. Ich konnte nur nicken. Sie: Ohne Tiere möchte ich nicht leben.
    Dann wieder: Wenn du nicht da bist und ich denk an dich, hör ich die Engel singen. Wenn ich nicht an dich denke, bin ich taub.
    Elsa stellt um ihr Kräuterbeet herum mit Bier gefüllte Schalen. Die Schnecken kriechen hinein und ertrinken.
    Für den nächsten Tag richtet sie sich immer danach, ob die Löwenzahnblüten offen oder geschlossen sind.
    Auf unserem Komposthaufen nichts, was nicht hier gewachsen ist. Elsa duldet keine importierte Schale.
     
    Kann man sich verfluchen oder muss das ein anderer tun?
     
    Wenn Silvi Schall sich nicht meldet, müsste er schon nach dem zweiten oder dritten Mal aufhören zu wählen. Er weiß, er wird nie mehr aufhören können, ihre Nummer zu wählen.
     
    Gestern Nacht, als Elsa mitkriegte, dass mich die Neuralgie nicht schlafen ließ, hat sie sich, sagte sie heute Morgen, ganz auf diesen Nerv konzentriert, gleich darauf sei ich eingeschlafen. Und präsentierte mir heute Morgen die von ihr geschälten Trauben und sagte: Das tu ich für mich.
     
    Ich bin natürlich wie alle. Ich glaube auch, mir sei mehr zugefügt worden, als ich zugefügt habe.
    Elsa, bitte, schau mich nicht an, als sei ich da.
     
    Ich habe immer mehr verheimlicht als ausgesprochen. Aber noch nie waren Verheimlichtes und Ausgesprochenes so weit auseinander.
    Mein Gefühl: Wenn ich einem Gremium der Vernunft meine Lebensumstände offenbarte, würde man mich entmündigen.
    Immer dieses Bedürfnis, aus einer brutal dreckigen Situation in eine kostbare Sprache zu fliehen. Alles höher sagen, als es ist. Wenigstens Schicksal soll es doch sein.
     
    Er weiß, er darf. Sonst weiß das niemand. Es ist das einsamste Wissen überhaupt. Das des Verbrechers. Er hat ein Unrechtsbewusstsein.
    Umgeworfen, niedergewalzt von der Wucht einer sich nicht helfen könnenden Bewegung.
     
    Frisch erkältet, sieht sie sich als Rotzfabrik. Das ist Elsa.
     
    Silvi hat ihm ein Extra-Handy gekauft, dass sie unbemerkt sprechen können.
     
    Elsa in Tübingen bei ihren sieben Chormusiktagen, Silvi auch in Tübingen. Bei ihren Eltern. Mit beiden telefonieren!
    Wenn Silvi in Tübingen war und er rief an, musste er sich als Tobias Schrader melden. Das befahl sie und befahl es so flüssig, als habe sie das immer schon allen Männern befohlen, die sie in Tübingen anriefen.
    Niemand darf gewinnen. Weil es keinen Verlierer geben darf.
    Silvi: Das ist nicht möglich, dass das alles zu nichts führt.
     
    Auf seinen Satz: Ich liebe dich, sie: Also, danke, tschüs. Sie war nicht allein. Wer war bei ihr?
     
    Angesagte Vergewaltigung. Elsa wehrte sich zum Schein. Zuerst sie durchs Ziel. Dann ich. Aber durch eigene Hand. Wie ein Affe. Vor ihr. Das ist der kleinstmögliche Betrug.
    Elsa mitten in der Nacht plötzlich: Sag, dass du mich brauchst, sonst kann ich nicht leben. Ich: Ich brauche dich.
     
    Sie waren oft tagelang aufs Telefonieren angewiesen. Sie versprachen einander, das, was sie per Telefon taten, zu wiederholen, wenn sie wieder in einem Zimmer sein werden. Er wollte das. Er fand, sie sollten das praktizieren, dann wüsste bei späteren Telefongesprächen jeder vom anderen, was der beim Telefonieren tat.
    Der Schriftsteller kennt Silvi seit sieben Jahren. Das klingt stilisiert. Das sagt, was es heißen soll, nicht, was ist. Seit er Silvi kenne, schreibe er nicht mehr über Autos, nur noch über Silvi. Sie war also mit dem Schriftsteller noch in zwei Lokalen. Sie hat es gern gehabt, dass er den ganzen Abend lang hingerissen war von ihr und das zeigte. Seine Knie ununterbrochen an ihren Knien. Im letzten Lokal saßen sie neben einander auf einer weichen Polsterbank. Immer wieder fuhr seine Hand an ihrem Hintern hinab. Er hat kräftige Hände.
    Als er kritisch wurde, sagte sie: Ein gutaussehender Mann mit kräftigen Händen, der bis nachts um zwei Hingerissenheit demonstriert, das darf man doch genießen, wenn man von dem, den man liebt, allein gelassen wird.
    Wenn sie fragte, welche Kette sie ins Theater umlegen sollte, musste er ohne jedes Zögern antworten. Er hat dazu beizutragen, dass sie so schön wie möglich ins Theater gehe. Es musste ihm recht sein, dass sie in Zürich so schön, so begehrenswert wie möglich aussehe. Inmitten der vom

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