Muttertier @N Rabenmutter
also, wie sie sich fühlt. Häng die Spiegel ab, bis sie wieder aussieht wie sie selbst.
Viele liebe Grüße und weiterhin gute Besserung
Maxi
Von: Hanna
Gesendet: Mittwoch, 29. Juli 2009, 21:17
An: Maxi
Betreff: … und doch mein Problem, Rabenmutter
»Neue Schuhe«, grinste Franziska heute Morgen total stolz.
Ich war baff. Wo hatte sie jetzt die Schuhe her?
Na, was meinst du?
Klar, von Lieschen. Die hatte bei Siemes ein »Schnäppsche gemekt«. Toll, und ich habe noch nicht mal mitgekriegt, dass die Alten zu klein geworden waren. Sie war aus den Schuhen herausgewachsen, und die anderen Klamotten waren auch zu klein.
Und Lieschen hat noch einen ganzen Sack voller Kleidung angeschleppt. »Hier, dat sind jute Klamotte!« Anscheinend hatte sie in ihrem Alte-Damen-Klub mein Leben thematisiert. Und ich wollte doch kein Mitleid! Auf jeden Fall haben alle Damen Kleider ihrer Verwandtschaft mitgebracht. Richtig schicke Sachen von Mexx, Zara, Esprit, kaum getragen. Genial!
Laut der gesellschaftlichen Definition bin ich wohl jetzt eine Rabenmutter. Du, und ich fühle mich auch so, gerade jetzt …
Ich kriege irgendwie nichts mehr von ihrem Leben mit. Als Franziska noch klein war, hatte ich Zeit, diese digitalen Fotobücher zu erstellen, in denen ich alle Fotos, auch die verwackelten, erfasste und alles, was sie erlebte, niederschrieb. Ich führte tatsächlich ein Tagebuch für sie. Ich drehte Videos am laufenden Band und hatte Zeit, mir diese auch immer wieder anzuschauen. Ich war so stolz auf jeden kleinen Schritt, den Franziska tat. Der erste Zahn wurde genauso ausgiebig wie der Geburtstag gefeiert. Ebenso das aufs »Töpfchen gehen« und viele andere Dinge. Einfach alles. Ein riesiges Tammtamm haben wir um die Kleine gemacht. Das wurde mir auf jeden Fall von meiner ganzen Familie bestätigt. Regelmäßig versorgte ich die Großeltern, Tanten, Onkels, Cousinen und Cousins mit aktuellem Bildmaterial. Ich muss ihnen sicherlich so richtig auf die Nerven gegangen sein.
Seit Marcs Tod habe ich es nicht mal mehr geschafft, Fotos zu machen. Die Zeit rennt und ich habe fast nichts, was unsere gemeinsame Zeit widerspiegelt, fast nichts, woran wir uns eines Tages mal erinnern können. Irgendwie rinnt mir die Zeit durch die Finger. Unwiederbringlich. Ich fühle mich schlecht.
Kuss,
Hanna
8
Auf dem Weg zu Mario wurde ich erneut von Selbstzweifeln geplagt. Was, wenn er mir den Job doch nur aus Mitleid angeboten hatte und nun hoffte, ich würde ihn nicht mehr darauf ansprechen? Ich sah ihn vor meinem geistigen Auge schon peinlich berührt, irgendwelche Ausreden stammeln. Vermutlich würde er es auch auf die Wirtschaftskrise schieben, dass er mich nun doch nicht einstellen konnte. Mit einem dicken Kloß im Hals betrat ich sein Café.
»Mario, du musst mir ganz ehrlich sagen, wenn du die Idee, dass ich für dich arbeite, doch nicht so gut findest. Das ist ja eine wichtige Entscheidung, die man so spontan gar nicht fällen kann. Ich würde das wirklich verstehen und ich verspreche dir, dass ich auch in Zukunft noch meinen Latte macchiato bei dir trinke.«
»Maxi, wie schön dich zu sehen. Möchtest du mir gerade sagen, dass du mein Angebot annimmst und mich bei den Veranstaltungen unterstützen wirst?« Mein Herz klopfte laut vor Aufregung. So blöd hatte ich mich noch nie angestellt. Spätestens jetzt musste Mario seinen Vorschlag bereut haben. Eine Frau, die nicht einmal in der Lage war, vollständige zusammenhängende Sätze zu formulieren, konnte man nicht auf Kunden loslassen. Jetzt musste ich mich aber zusammenreißen.
»Zuerst möchte ich mich für dein Angebot ganz herzlich bedanken. Ich habe mich sehr gefreut, dass du mir den Job angeboten hast. Gestern habe ich gründlich nachgedacht und mich mit Alex beraten. Ich möchte die Aufgabe sehr gern übernehmen. Es würde mir große Freude machen, mit dir zusammenzuarbeiten. Aber ich möchte, dass du auch noch mal in Ruhe nachdenkst, ob ich wirklich die Richtige bin und dass wir darüber reden, wie du dir meine Tätigkeit hier im Einzelnen vorstellst. Nur dann kann ich guten Gewissens sagen, ob ich deinen Erwartungen gerecht werden kann. Ich komme wirklich gern hierher und ich möchte mein Lieblingscafé nicht verlieren, nur weil wir da überstürzt reingestolpert sind.« Ich hoffte, er würde sich von dieser nicht ganz so euphorischen Aussage nicht vor den Kopf gestoßen fühlen, aber es war mir wichtig, dass Mario auch fachlich von mir überzeugt
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