Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
du die Servietten nicht, kaufst aber jede Woche mindestens zwei neue Pakete?«
Meine Mutter seufzt. »Weißt du, Kind … Vielleicht bin ich inzwischen einfach zum Messie geworden. Dabei hab ich deinem Vater doch schon vor Jahren gesagt: ›Wenn die Kinder mal unseren Haushalt auflösen müssen, dann werden sie uns noch nachträglich in die Hölle wünschen!‹« Sie klingt dabei leicht resigniert.
Ich wäre dumm, wenn ich jetzt zugeben würde, dass mir dieser Gedanke auch schon einmal gekommen ist.
»Vielleicht musst du einfach mal aussortieren, was du nicht mehr brauchst«, wage ich vorzuschlagen.
Was folgt, ist erwartungsgemäß ein lang gezogenes »Neiiin, Laura!« – mir war schon klar, dass meine Mutter nicht bereit ist, sich von all dem Krimskrams zu trennen.
»Ich bekomme das schon in den Griff«, versichert sie mir. »Immerhin bin ich für einen Messie ziemlich ordentlich.«
14
»Ihr braucht mich gar nicht einzuladen!«
D as Weihnachtsfest steht an, und wir haben Muddi für zwei Tage zu uns eingeladen. Doch Familienfeiern sind eine große Kunst und wollen gut vorbereitet sein, vor allem, wenn man sich dafür entschieden hat, Muddi einen mehrtägigen Aufenthalt in besinnlicher Atmosphäre inmitten ihrer Lieben zu bieten.
Bei der anstehenden Feier wird es einige Neuzugänge im Kreis der Feiernden geben. Die Freundin meines Stiefsohnes, der bereits eine eigene Wohnung hat, und deren Mutter haben sich angekündigt.
»Ach Laura, lasst mich doch mal zu Hause bleiben«, erklärt mir Muddi deswegen einige Wochen vor Heiligabend mit unsagbar trauriger Stimme. »Ich gehör ja doch nicht mehr dazu. Die denken doch alle nur: Was will denn die blöde Alte hier?«
Ich versichere meiner Mutter mit einiger Vehemenz, dass sie keine »blöde Alte« ist. Dies muss ich noch exakt fünf Mal wiederholen, bevor die Feier steigt. So oft ruft sie mich in der Woche vor Heiligabend an und versucht – täglich mit neuen Ausreden – mich davon abzuhalten, sie an Weihnachten zu uns zu holen.
Im ersten dieser Telefonate hat sie kurz zuvor entdeckt, dass es Winter ist.
»In den nächsten Tagen soll es ganz viel schneien und frieren, Laura!«, ruft sie wie panisch in den Hörer. »Bleib bei Glatteis besser zu Hause! Ich komm über die Feiertage auch allein zurecht. Schließlich bin ich beinah jedes Wochenende allein, da kommt es auf ein weiteres auch nicht an.«
Ich überhöre geschickt den Vorwurf, dass wir sie nicht jedes Wochenende einladen, und beharre darauf, dass ich sie abholen werde, komme was wolle vom Himmel hoch.
Telefonat Nummer zwei beschert mir eine Diskussion über die Fahrtzeit.
»Laura! Überleg doch mal, du fährst anderthalb Stunden zu mir«, gibt sie zu bedenken. »Dann muss ich all meinen Kram ins Auto schleppen. Und ich hab ja immer so viel mitzunehmen, vor allem die ganzen Geschenke, schreck-lich! Und dann fährst du mich zu dir nach Hause. Am zweiten Weihnachtsfeiertag musst du mich wieder anderthalb Stunden zu mir nach Hause fahren, um anschließend wieder zurückzufahren … Nee, Laura, das ist doch einfach alles viel zu viel Aufwand!«
Ich versichere ihr, dass ich sie so gern bei mir habe, dass das in jedem Fall den Aufwand rechtfertigt.
Im dritten Gespräch meint sie, Anzeichen einer Erkältung bei sich entdeckt zu haben. Und sie möchte uns auf gar keinen Fall anstecken!
Ich bin mir inzwischen nicht mehr so sicher, ob meine Mutter sich auf Familienfeiern wirklich überflüssig fühlt und deshalb nach Ausreden sucht oder ob sie einfach nur mehrfach um ihren Besuch gebeten werden möchte. Allerdings weist einiges darauf hin, dass Letzteres der Fall ist. Einmal war ich nämlich so mutig, ihr zu sagen: »Ist in Ordnung, Muddi. Dann bleibst du eben zu Hause.« Doch daraufhin erwiderte sie empört: »Lauraaa! Na, sooo hab ich das doch wirklich nicht gemeint!«
»Eventuell musst du deine Planung komplett umstellen, weil ich vielleicht am Heiligen Abend zu deinem Bruder fahren werde, Laura«, erklärt sie mir in Telefonat Nummer vier.
Allerdings hat der sich bis dato überhaupt noch nicht bei Muddi gemeldet … Aber vielleicht tut er das ja noch.
Nummer fünf der Top-Ausreden bekomme ich am 23.12., abends gegen zweiundzwanzig Uhr zu hören.
»Ich kann nicht kommen«, sagt Muddi, »weil ich meinen Krankenhauskoffer nicht vollständig gepackt hab, Laura!«
Den Krankenhauskoffer für Notfälle will sie seit Langem fertig packen. Trotzdem steht er immer noch halb befüllt in ihrem Schlafzimmer.
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