Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
Neue. Und so verblüfft es mich nicht, dass sich zwischen meiner Mutter und dem kleinen Lorenzo schnell eine innige Freundschaft entwickelt hat.
»Laura«, sagt sie mir mit leuchtenden Augen, »Lorenzo nennt mich nicht Frau Windmann oder Tante, sondern Hallihallo!« Sie lacht übermütig. »Das kommt daher, dass ich anfangs immer ein Hallihallo über die Hecke gerufen habe, wenn ich ihn draußen spielen hörte. Ich finde das so süß!«
Lorenzo kennt sich inzwischen recht gut im Haus meiner Mutter aus. Er weiß sogar, in welchem Schrank Tassen und Teller stehen, denn wenn er mit seiner Mama zum Kaffeetrinken eingeladen ist, deckt er gemeinsam mit Muddi den Tisch und freut sich dann auf den Kakao, den sie für ihn kocht.
Meine Mutter ist dem Jungen so zugetan, dass sie jede Woche eine Kleinigkeit für ihn kauft. Dann hat sie entweder ein kleines Kinderbuch, einen Lolli aus der neuesten SpongeBob-Kollektion oder auch ein Matchbox-Auto da, wenn er sie besuchen kommt. Lorenzo dankt es ihr wortreich und – ganz Italiener! – wild gestikulierend.
Wenn sie ihm sein Geschenk gibt, winkt er mit den Armen wie ein Dirigent und sagt Dinge wie: »Oh, Hallihallo! Ich bin dir so dankbar! Du glaubst ja gar nicht, wie dankbar ich dir bin! Du bist die allerbeste Hallihallo der Welt! Wenn ich mal groß bin, heirate ich dich!« Oder er fasst sich theatralisch an die Brust. »Oh, mein Gott!«, ruft er dann. »Ich freue mich so sehr , dass mein Herz wehtut!«
Bevor wir uns an diesem Donnerstag ins Einkaufsvergnügen stürzen, berichtet mir meine Mutter vom vergangenen Samstag, den sie auf der Geburtstagsfeier von Lorenzo verbracht hat.
Das Fest fand in dem Restaurant statt, das Lorenzos Eltern gerade eröffnet haben, im San Remo. Eigentlich heißen sie Sciutto mit Nachnamen, doch sie haben einen einfacheren Namen gewählt, damit ihre Buxtehuder Kunden ihn sich besser merken können. Bei der norddeutschen Bevölkerung führen zu komplizierte, ausländisch klingende Namen nur zu Verwirrungen.
»Wie heiß’ dat? Nee, kenn ich nich …! Lass uns man wedder nach Dschägers Rast gehn! Die ham da ’n gudes Dschägerschnitzel.«
Die gesamte Familie war dort, einschließlich der Großeltern.
Lorenzos Mama hatte vermutet, dass meine Mutter und Lorenzos Oma einander viel zu erzählen haben würden, und hatte sie daher auf der Kindergeburtstagsparty an einen Tisch gesetzt. Die beiden alten Damen fanden beim gemeinsamen Gläschen Sekt schnell zueinander, schließlich hatten beide am Ende des Zweiten Weltkriegs aus ihrer gemeinsamen Heimat Pommern flüchten müssen. Beide waren im gleichen Jahr geboren und konnten nun viele sentimentale Erinnerungen an ihre alte Heimat austauschen.
Während die beiden Frauen sich über vergangene Zeiten unterhielten, beobachtete meine Mutter aus den Augenwinkeln, wie Lorenzo von Tisch zu Tisch wanderte und seine Gäste unterhielt. Er nannte sich inzwischen selbst »Juniorchef«. An diesem Nachmittag erwies er sich als solcher und machte die Gäste miteinander bekannt.
Irgendwann im Laufe des Nachmittags kam er an Muddis Tisch und verkündete laut, dass Muddi Hallihallo heiße und seine zweitbeste Omi sei. Seine eigene Großmutter wurde dabei etwas blass, erzählt Muddi gespielt betreten, aber ich merke deutlich, wie stolz sie auf Lorenzos Worte ist.
»Alle waren augenblicklich still und haben mich ganz verwundert angesehen, Laura!«, sagt sie. »Ich glaube, die wussten mit dem Namen Hallihallo nicht viel anzufangen.«
Und dann berichtet Muddi mit glänzenden Augen davon, wie Lorenzo kurz darauf zu seiner Höchstform auflief.
»Hört noch mal alle her!«, rief er. »Ich muss euch auch noch sagen, dass Hallihallo die bestangezogene Dame hier im Viertel ist.« Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, verkündete er einige Zeit später sogar, meine Muddi sei jetzt seine Verlobte.
»Gott, Laura, mir war das ein wenig unangenehm«, sagt Muddi. »Plötzlich haben mich alle angesehen! Ich steh ja nicht so gern im Mittelpunkt!« Spricht’s und lächelt. Unter gar keinen Umständen würde sie zugeben, wie sehr sie diese Augenblicke genossen hat.
Nur Muddis Tochter weiß es besser – sie schweigt und hat das gute Gefühl, dass Muddi ein verdammt nettes Wochenende hatte.
13
»Ich bin ein ordentlicher Messie!«
M eine Mutter hat einen Aufräumfimmel. Wenn bei ihr jemals Unordnung herrscht, dann hat das Sinn und Zweck. Meistens geht es ihr weniger um die Ordnung als darum, mir damit etwas mitzuteilen.
Während
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