Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)
beeinflussen. Nein, Muddi ist ganz normal gealtert.
Ich finde sie hübsch, so wie sie ist. Würde sie es mir nicht ständig auf die Nase binden, sähe ich vermutlich nicht eine einzige Falte in ihrem Gesicht.
Muddi sieht das hingegen ganz anders; sie hat eigentlich nur Erschreckendes über ihr Aussehen zu berichten.
»Ach Laura …!«, sagt sie dann zum Beispiel. »Heute Morgen bin ich aufgewacht und hab als Erstes meinen Oberarm neben mir gesehen. Gott, ist der knittrig! Eigentlich besteht der nur noch aus Falten. Ich hab solch einen Schrecken bekommen! Ich konnte den erst gar nicht zuordnen!« Oder: »Gestern bin ich – weil ich mich noch schnell umziehen wollte, vor dem Kaffeetrinken mit Margot – nackt am Schlafzimmerschrank vorbeigehuscht. In der einen Millisekunde hab ich mich in der Spiegeltür gesehen. Gott, Lauraaa! Ich hab mich gar nicht wiedererkannt! Ich dachte nur: Wer ist die Frau da? Weißt du, eigentlich denk ich immer, ich bin noch fünfundzwanzig!«
»Und wenn ich meine Augenbrauen zupfe«, berichtet sie ein andermal, »und dafür den Vergrößerungsspiegel benutze, seh ich all meine Falten im Gesicht. Jede einzelne. Mein Gesicht ist nur noch eine einzige Falte! Am liebsten würde ich in einem solchen Augenblick sofort den Spiegel zerschlagen!«
Selbst wenn kein richtiger Spiegel in der Nähe ist, ist sie nicht vor der Gefahr des eigenen Anblicks gefeit.
»Als ich neulich in der Stadt war, hab ich mich in einem Schaufensterglas betrachtet. Ich könnt mich anspucken, ehrlich!«
Irgendwie kann ich meine Mutter verstehen, auch wenn sie oft sehr drastische Worte wählt. Ich bin auch keine zwanzig mehr und hoffe, dass ich mich eines Tages mit den Folgen des Alterungsprozesses abfinden kann. Vielleicht ist »anspucken« sogar eine ganz gute Lösung. Meine Urgroßmutter pflegte jedenfalls stets dreimal über die Schulter desjenigen zu spucken, der ihrer Meinung nach gerade Glück benötigte. Ob das im Fall von Alterserscheinungen hilft, weiß ich nicht. Aber einen Versuch wäre es wert. Demnächst lasse ich Lazlo über meine Schulter spucken. Dabei soll er dann sagen: »Du bekommst im Alter keine Falten. Und deine Oberarme werden noch genauso aussehen wie in deiner Jugend! Toi, toi, toi!« Vielleicht bleiben mir dann Muddis schreckliche Erlebnisse vor dem Spiegel erspart.
28
»Ihr könnt Onkel Hermanns Fußteil haben!«
E s ist mir oft ein kleiner Trost, wenn mir andere Frauen von den Eigenheiten ihrer Mütter oder Schwiegermütter berichten. Oft lerne ich dadurch auch mehr über die ältere Generation, und das hilft mir, für schwierige Situationen mit Muddi gewappnet zu sein.
Eine Freundin erzählte mir neulich, was sie mit einer Vertreterin der Silver-Generation erlebt hat. Sie und ihr Mann besitzen seit Neuestem einen Strandkorb. Jeder Strandkorb hat zumindest auf einer Seite neben der Sitzfläche eine ausklappbare Ablage. Auf diesem Brettchen kann man, wenn man entspannt ein Buch lesen und dabei zum Beispiel dem Alkohol frönen möchte (man darf selbstverständlich auch seinen Kakao genießen), ein Glas eisgekühlten Caipirinha abstellen.
Das Wort Strandkorb klang für mich früher immer nach totalem Relaxen. Aber haben Sie schon einmal in einem Platz genommen? Man kann nur kerzengerade darin sitzen. Die teureren Exemplare haben zusätzlich ein ausklappbares Fußteil, die preiswerteren nicht – damit sind sie noch unbequemer. Man genießt vielleicht kurzfristig die Sonne, aber bei längerem Gebrauch drohen körperliche Beschwerden.
Besonders blöd ist es, wenn man im Strandkorb ein Buch lesen möchte – und noch blöder, wenn man bereits zwei Caipirinhas getrunken hat. Dann will man sich nämlich irgendwo anlehnen, aber das geht nicht, weil es in einem Strandkorb nichts zum Anlehnen gibt – außer der rückwärtigen Rattanwand, die einen nahezu rechten Winkel mit der Sitzfläche bildet.
Was geschieht nun, wenn man ständig derart aufrecht in einem Strandkorb sitzt? Die Füße schwellen an, weil das Blut bekanntlich nach unten sinkt. Man rutscht verzweifelt mit dem Po hin und her, weil einem ebendieser einschläft. Die Sonnenbrille dämpft kaum den beginnenden Kopfschmerz, der durch Hitzeeinstrahlung und erhöhte Promillezahl bedingt ist. Und das ist erst der Anfang der Unannehmlichkeiten.
Also nein, ich will keinen Strandkorb. Meine Freundin Gudrun hat sich einen gekauft. Allerdings hat sie sich nur ein Exemplar der preiswerteren Sorte geleistet, das ohne Fußteil und mit einer
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