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Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition)

Titel: Mutti geht's gut: Wahre Geschichten aus dem Leben einer Tochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Windmann
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einzigen Ablage auf der rechten Seite des Korbes ausgestattet ist. Daher überlegt sie nun, wie sie das fehlende Holzbrettchen auf der linken ersetzen könnte. Und da fällt ihr die Schwiegermutter ein.
    Gudruns Schwiegermuddi serviert ihrer Verwandtschaft das Abendbrot für gewöhnlich auf Stullenbrettchen, wenn diese sie besuchen. Jeder hat sein eigenes Brettchen, das eine entsprechende Einkerbung für das Buttermesser besitzt.
    Meine Freundin hat sich nun überlegt, dass man eines dieser Brettchen zum Servierbrettchen am Strandkorb umfunktionieren könnte. Das ist ganz einfach: Man muss nur das Brett mit der Messereinkerbung nach unten drehen, und schon kann der Caipi darauf abgestellt werden!
    Welch geniale Idee, denkt sich Gudrun und sagt zu ihrem Mann: »Frag doch mal Muddi, ob sie uns ein Brettchen abgeben kann!«
    Der Gatte fragt, und seine Muddi antwortet begeistert: »Also, Kinder – das ist ja ein Zufall! Wie schön, dass ich jemandem helfen kann, der in Not ist, und ich just in diesem Moment die Möglichkeit dazu habe!«
    Der Gatte von Gudrun weiß in diesem Moment noch nicht, worauf seine Muddi anspielt. Hat sie womöglich im Keller 345 Holzbrettchen gebunkert, um Familienangehörigen oder Freunden jederzeit fehlende Strandkorbbrettchen ersetzen zu können? Oder hortet sie diese, um den Enkelkindern bei Gelegenheit trockene Fußwege im Garten ermöglichen zu können? Holzbrettchen sind schließlich vielseitig einsetzbar.
    Aber die Erklärung, die Gudruns Schwiegermuddi liefert, ist eine ganz andere:
    »Wisst ihr, Onkel Hermann ist doch vor vier Wochen an Blasenkrebs gestorben. Gute Güte, der wog ja zum Schluss nur noch fünfundvierzig Kilo. Und was war er vorher für ein stattlicher Mann! Furchtbar … sein ganzer Körper war zum Schluss von Metastasen zerfressen! Und meine Cousine Käthe! Vorgestern hat mich Tante Martha angerufen: Käthe hat sechs Tage lang tot in ihrem Haus gelegen. Herzinfarkt! Niemand hat sie vermisst, weil alle dachten, sie sei bei einer Freundin im Schwarzwald. Erst der Nachbar hat gesehen, dass der Briefkasten überquoll, und die Polizei informiert. Die gute Käthe hat schon angefangen zu riechen, stellt euch das mal vor!«
    Meine Freundin und ihr Gatte versuchen pflichtschuldigst, sich das bildlich vorzustellen.
    »Also«, fährt Gudruns Schwiegermuddi fort, »die beiden Brotbrettchen von Käthe und Hermann, die könnt ihr selbstverständlich haben! Die brauch ich ja nun nicht mehr …«
    Gudrun hat ungefähr zehn Sekunden überlegt, bis sie dankend ablehnte, die Brettchen der Verstorbenen als Abstellmöglichkeit für ihren Caipirinha zu verwenden. Für diese Zeit des Nachdenkens schämt sie sich bis heute, sagt sie. Und sie fügt hinzu, dass man von Zeit zu Zeit vielleicht doch besser einen Besuch des nächstgelegenen Baumarktes in Kauf nehmen sollte, als seine Muddi oder Schwiegermuddi um Hilfe zu bitten.
    Was ich daraus gelernt habe? Was für den einen pietätlos ist, kann für den anderen einfach praktisch sein. Vielleicht ändert sich diese Sichtweise, je näher wir unserem Ableben kommen.
    Jedenfalls ist es hin und wieder überaus wichtig, dass Sie sich beim Zusammensein mit Ihrer Muddi darauf einstellen, dass sie einiges einfach komplett anders sieht als Sie. Das sollten Sie irgendwann einfach mal akzeptieren. Es ist besser so. Für Sie. Und für Ihre Muddi.



29
»Ich hab da keinen Bock drauf!«
    M anchmal verblüfft mich meine Mutter mit ihrer Art der Gesprächsführung. Nicht nur, dass sie stets vom Hundertsten aufs Tausendste kommt, auch ihre Wortwahl gibt hin und wieder Anlass zum Staunen.
    »Laura«, erzählt mir Muddi am Donnerstagmorgen beim gemeinsamen Frühstück, »der Lorenzo versteckt immer meine Sachen, wenn er mit seiner Mutter bei mir ist.« Während sie das sagt, schüttelt sie bedächtig den Kopf.
    Ich gieße mir unterdessen ganz in Ruhe eine zweite Tasse Kaffee ein, füge einen Löffel Zucker hinzu und rühre um.
    »Welche Sachen denn, Muddi?«
    »Vorige Woche«, sagt sie und streicht mit einer energischen Bewegung eine große Portion Nutella auf ihr Toastbrot, »hab ich nach Lorenzos Besuch verzweifelt meine Schranktürschlüssel gesucht. Der hatte alle drei Türen abgeschlossen und die Schlüssel versteckt.«
    »Aber du hast sie wiedergefunden?«
    Muddi stöhnt ein wenig. »Ja, wiedergefunden hab ich sie, aber erst ganz spät am Abend, Laura! Beinah hätt ich Günther Jauch verpasst. Ich wollte mir doch eine neue Tischdecke holen und meinen

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