Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
nicht so richtig in den Artikel vertiefen. Ständig wuselt Luzia um mich herum, stellt hier ein Buch ins Regal zurück, wischt dort die letzten Frühstückskrümel vom Esstisch, läuft in die Küche, bringt mir ein Glas Saft, zupft ein paar vertrocknete Blätter von der Grünlilie. Holger scheint das nichts auszumachen.
Dann ruft Maja nach mir: »Torsten, kommst du bitte mal? Schau mal, hier ist ein altes Bild von uns beiden bei meiner Taufe!«
Ich lasse die Zeitung aufgeschlagen auf dem Glastisch liegen und gehe nach oben. Als ich mit Maja genug über das alte Bild gekichert habe, gehe ich wieder nach unten. Ich bin keine fünf Minuten weg gewesen, aber in der Zwischenzeit hat Luzia meine Zeitung ordentlich zusammengefaltet und in den Zeitungsständer gesteckt.
Ich frage sie: »Warum hast du das denn gemacht? Ich war doch gerade am Lesen.«
»Unordnung kann ich nicht leiden!«, erwidert sie ärgerlich.
»Aber es ist doch gemütlich, wenn es hier ein bisschen bewohnt aussieht«, sage ich.
»Was du unter gemütlich verstehst!«
Holger sitzt die ganze Zeit daneben und mischt sich nicht ein. Zu Hause lässt er es eher gemütlich angehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er ebenso viel Wert auf perfekte Ordnung legt wie seine Frau. Deshalb frage ich ihn, was er dazu meint. Aber bevor er antworten kann, fährt Luzia dazwischen: »Lass den in Ruhe. Hier habe ich das Sagen.«
… Kontrolle ist besser
Es fängt ganz harmlos an. Die Gestaltung des Wohnraums ist in Mutti-Familien reine Frauensache. Mutti bestimmt den Stil und die Farben, die Wohnung atmet ihre Atmosphäre. Sie allein wählt die Möbel aus und bestimmt, wie sie gestellt werden. Sie arrangiert Dekorationen, hält Ordnung, putzt, kümmert sich. Sie bestimmt, ob die Schuhe an der Wohnungstür ausgezogen werden müssen, wo die Jacken hingehängt werden. Jedes Detail ist von ihr geprägt.
Wenn der Mann Glück hat, kann er in den Bastelkeller oder die Garage flüchten. Hier bestimmt er, hier kann er seine Sachen liegen lassen oder nach seiner ganz eigenen Ordnung sortieren. Hierhin zieht er sich zurück, wenn ihm die Mutti-Ordnung zu viel wird. Weil sie außerhalb ihres Territoriums liegen, weigert sich Mutti, einen Fuß hineinzusetzen. Doch alle gemeinschaftlich genutzten Räume sind Muttis Hoheitsgebiet und werden von ihr geprägt.
Dazu gehört auch der Garten. Sie bestimmt die Gestaltung, pflanzt Blumen, jätet Unkraut. Alles, was ihr nicht passt, muss weg. Das heißt aber nicht, dass sie die Arbeit allein erledigt. Der Mann darf durchaus im Garten arbeiten – aber nur genau nach ihren Anweisungen. Den Garten umgraben, Laub fegen und Steine schichten gehören zu seinen Aufgaben, die körperliche Schwerarbeit, die ihr zu viel wird. Und bei der keine Gefahr besteht, dass er kreativ wird.
Dieselbe Aufgabenverteilung lässt sich auch beim Einkaufen beobachten. Wenn muttidominierte Paare zusammen einkaufen, schiebt er den Einkaufswagen, und sie sucht aus, was hineinkommt. In den seltenen Fällen, wo so ein Mann allein einkauft, hält er meist einen Zettel in der Hand. Und wenn man genau hinschaut, erkennt man: Die Handschrift auf dem Einkaufszettel stammt von einer Frau. Die Mutti schickt also einen Stellvertreter mit genauen Handlungsanweisungen. Sie hat ihm detailliert aufgeschrieben, was er besorgen soll. Und wenn er es wagt, etwas anderes mitzubringen? Dann muss er noch mal losziehen, um das Richtige zu besorgen. Mutti allein weiß, was gut und gesund ist, was die Familie braucht. Sie allein hat den Überblick über den Kühlschrankinhalt und den Speiseplan.
Mutti muss immer überprüfen und kontrollieren. Sie kann die Fäden nicht aus der Hand geben, auch nicht bei der kleinsten Tätigkeit im Haushalt. Sie mag vielleicht Aufgaben verteilen: Die Kinder decken den Tisch, der Mann wäscht ab. Aber die letzte Kontrolle behält sie selbst. Sie prüft, ob auf dem Tisch auch nichts vergessen wurde, ob das Geschirr richtig sauber ist. Wenn der Mann das Baby wickelt, kommt sie wie zufällig ins Badezimmer, wuselt herum, steckt im Vorbeigehen blitzschnell einen Finger zwischen Oberschenkel und Windel und weiß sofort: »Die Windel sitzt zu locker!« Damit stellt sie klar, dass er auch hier nur in Stellvertretung arbeitet und dass das letzte Wort bei ihr liegt.
Viele Männer haben es nicht gelernt, sich ein eigenes Zuhause einzurichten und es sich gemütlich zu machen. Die typische Junggesellenwohnung ist entweder ein heilloses Chaos oder eine
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