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Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)

Titel: Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torsten Milsch
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überflüssig zu machen.
    Muttertiere
    Die zweijährige Anna, mit rosa Latzhose und Glitzerspängchen im Haar, sitzt auf ihrem Dreirad und tritt eifrig in die Pedale. Ihre Mutter ist derweil ins Gespräch mit einer Freundin vertieft. Plötzlich kommen sie zu einem Stück nicht asphaltierten Weges, wo vom Regen große Lachen zurückgeblieben sind. Anna jauchzt auf und steuert auf eine der Pfützen zu. Wie das funkelt! Was gibt es da wohl Neues zu entdecken? Wie wird sich das Fahren im Schlamm anfühlen? Doch vom Rahmen des Dreirads führt eine Lenkstange nach hinten. Den Griff der Stange hält die Mutter fest in der Hand. Das heftige Gegensteuern der Kleinen nervt die Mutter. Kurzerhand drückt sie auf die Lenkstange, sodass sich das Vorderrad vom Boden hebt. Jetzt kann die Mutter Tempo und Richtung ohne Reibungsverluste bestimmen. In welche Richtung auch immer die Kleine den Lenker dreht, das Dreirad bleibt in der vorgegebenen Spur, kaum zwei Schritte von der Mutter entfernt.
    Die Kleine protestiert mit einem kurzen Plärren: »Anna selber!«
    Die Mutter beachtet sie nicht, die Erzählung der Freundin von ihrem neusten Schwarm ist spannender.
    »Anna selber«, wiederholt die Kleine noch zwei- oder dreimal mit quengeliger Stimme, dann gibt sie auf. Trotzdem tritt sie weiter eifrig in die Pedale. Das Rädchen dreht sich wirkungslos in der Luft – quietsch, quietsch. Die Pfütze bleibt unerobert.
    Eine Mutti entlässt ihr Kind nicht aus ihrem Bannkreis. Weder mit zwei noch mit 20, 40 oder 60 Jahren. Sie weiß es zu verhindern, dass es seine eigenen Erfahrungen macht. Dabei redet sie sich ein, dass sie das tut, um das Kind zu schützen. Vor Dreck, Unfällen, Enttäuschungen und vor der bösen Welt da draußen. Aber in Wirklichkeit geht es um ihre eigenen Bedürfnisse.
    Wie wunderbar ist es, ein Kind zu beobachten, das zufrieden in seinem Bettchen liegt und seine Hände betrachtet! Oder sein Stofftierchen ernst von allen Seiten anschaut. Das Kind braucht Zeit, um die Welt in seinem eigenen Tempo zu erfahren. Es braucht Zeit, um die vielen Eindrücke des Tages zu verarbeiten und sich von ihnen auszuruhen. Eine Mutti nimmt dieses Ruhebedürfnis nicht wahr. Sie kennt keine Rücksicht. Sie holt das friedlich mit sich selbst beschäftigte Baby aus dem Gitterbettchen und spielt mit ihm – weil sie gerade Zeit hat und sich langweilt. Wenn Besuch kommt, reißt sie es als Demonstrations- oder Spielobjekt jederzeit aus dem Schlaf. Sie will es herumzeigen können und sich demonstrativ um es kümmern. So steht sie im Mittelpunkt der Bewunderung, das Kind dient als Beleg dafür, wie mütterlich und fürsorglich sie ist. Für Muttis ist das Bild wichtiger als die Realität dahinter. Solange die Familie nach außen als glücklich und harmonisch erscheint, kann ja nichts falsch sein, oder?
    Es sind die Muttis, die auf dem Spielplatz sagen: »Das ist zu hoch für dich.« Die direkt neben ihrem Kind am Klettergerüst stehen und es auch noch beim 20. Mal zur Sicherheit am Hosenbund festhalten. Sie lassen nicht zu, dass das Kind etwas allein ausprobiert, weil sie den Gedanken nicht ertragen können, es zu verlieren. Und verlieren könnten sie das Kind nicht nur, wenn das Klettern schiefgeht, sondern auch, wenn es glückt. Denn mit jedem Erfolg gewinnt das Kind an Selbstsicherheit und Unabhängigkeit und löst sich ein kleines bisschen von der Mutter. Das lässt eine Mutti nicht zu.
    »Jede Mutter hat eine Krone verdient«, sagte mir einmal eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Sie leitet eine Einrichtungskette und hat in ihrem Beruf Enormes auf die Beine gestellt. Ich war verblüfft: Gerade von ihr hätte ich einen differenzierteren Blick auf die Mutterrolle erwartet.
    »Warum?«, fragte ich zurück.
    »Na, weil sie die Mutter ist.«
    »Meinen Sie nicht, dass es auch ein bisschen darauf ankommt, wie gut die Mutter ihren Job macht? Ich habe in meiner Praxis schon viele Menschen kennengelernt, die gerade durch ihre Mütter daran gehindert wurden, auf eigenen Füßen zu stehen. Diesen Muttis würde ich keine Krone aufsetzen. Wollen Sie nicht vielmehr sagen: Eine Mutter, die ihre Kinder zu selbstständigen Menschen erzieht, hat eine Krone verdient?«
    »Nein, jede!«, wischte die Chefin meinen Einwand kategorisch beiseite. Damit war die Diskussion beendet. Offenbar findet diese Dame, dass allein die Tatsache, ein Kind in die Welt gesetzt zu haben, eine Ruhmestat ist.
    Eine Mutter wird pauschal in den Himmel gelobt, ohne dass sie sich beweisen

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