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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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loben meine Kartoffelpuffer. »Da haben wir Sie schon richtig gewählt …«, nuschelt Pia mit vollem Mund, »… Ihre Puffer sind echt die besten!« Mir schwant Schreckliches, erst recht, als ich in das schuldbewusste Gesicht meiner Kleinen schaue. Abends beim Gutenachtkuss frage ich, beschämt wie ein Teenie, als was ich denn nun wirklich gewählt worden sei. »Na ja«, stammelt sie, »eigentlich ging es ums Essen. Also … du kochst halt immer so toll, und vor allem kochst du viel. Um ehrlich zu sein … du bist als coolste Mutter gewählt worden. Als schönste die von Sophie. Aber Mama, das ist total klasse von dir, dass du immer für die anderen mitkochst und so.« Da sitze ich nun, belämmert wie Shaun, das Schaf, soeben von einem Schwein gebissen, und versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Die Haushaltsgeräte treten wieder in den Vordergrund, der Rolli kann mich mal, der Monteur sowieso und wer solche Freunde hat wie ich, braucht echt keine Feinde! »Cool ist doch cool«, höre ich mich mit zwar gedämpfter, aber doch mit angemessen mütterlicher Stärke raunen. »Ich freu mich! Nicht umsonst habe ich euch gelehrt, auf die inneren Werte eines Menschen zu sehen. Und jetzt schlaf schön, mein Schatz.« Gut, ich komme wieder runter. Eigentlich sollte ich mich freuen, dass meine Tochter mich davor bewahrt hat, in eitler Umnachtung künftig eine halbe Stunde vorm Spiegel zu stehen, bevor Kinderbesuch kommt.
    Noch schnell zum Jüngsten, der ganz zu Recht auf fünf Minuten abendlichem Knuddeln besteht. »Ach«, seufzt er liebwarm verschlafen, »du bist die schönste Mama, die man sich vorstellen kann.« Und gleich blitzt es wieder hervor, das golden strahlende Gefallenwollen und Im-Wettbewerb-gewinnen-Sollen, das ich mir gerade als infantiles Getue untersagt habe. Ein warmer Strom breitet sich in meinen Adern aus, meine Synapsen klingeln orchestral, während sie die frohe Botschaft bis in die letzten Kapillaren meines Mutterleibs verbreiten. Ich blühe auf! Gerade will ich ihm einen zarten Dank und holde Liebesworte ins süße Ohr hauchen, da murmelt er: »Nur Kevins Mama ist noch ein bisschen schöner als du.«

Peng!
    Ob es außer talibanischen Terroristen auch noch andere gibt, erkundigt sich mein Jüngster mit bebender Stimme. Sein großer Bruder klatscht sich an die Stirn und kichert. Während ich gerade zu einem improvisierten Vortrag in vergleichender Religionswissenschaft, dem aktuellen Stand der Bemühungen um den Weltfrieden und Lobpreisungen pazifistischer Ideale ausholen will, beginnt der kleine mit dem großen Jungen auf dem Rücksitz der Familienkutsche friedlich und versiert Fragen wie die zu erörtern, ob man eine Bazooka über der Schulter abschießen kann und wie viel Sprengstoff man braucht, um die Messehallen in die Luft zu jagen. Geht das schon wieder los! Und warum jetzt? Hat die gemeine Wissenschaft vom männlichen Kind nicht versprochen, dass diese Phase wirklich nur eine Phase ist und dass es außerdem ganz natürlich so geschieht, wenn 4-jährige Superhelden halt schwer bewaffnet in den Kindergarten einfallen, sich dort mit ihresgleichen duellieren und lauthals nach wüsten Geschichten in Comics, Filmen und Computerspielen verlangen, in denen spritzendes Blut, abgerissene Gliedmaßen und abgesäbelte Köpfe eine Rolle spielen? Jetzt sehe ich schon wieder rot, und während ich mit zusammengebissenen Zähnen versehentlich die Einbahnstraße in falscher Richtung entlangfahre, weil die Generäle auf dem Feldherrenhügel hinter mir munter vor sich hinschlachten, dämmert mir die Vergeblichkeit all meiner Liebesmüh.
    Graugrüne Plastikpanzer, plumpe Raketenabschussbasen und Legionen kleiner Plastikfiguren mit obszönen Ausbuchtungen habe ich früh aus dem Kinderzimmer verbannt. Einfühlsam sprechend vertrat ich den allumfassenden Geist der Gnade, der Gerechtigkeit und des Friedens, gab ich den Kissinger, den Gandhi, den Genscher und sogar den Geißler. Schwerter, Wasserpistolen und Flitzebögen waren nur unter strengen Auflagen im Geist der Haager Landkriegsordnung von 1899 und meinem deutlich artikulierten Widerwillen gestattet, scheintolerant geduldet und wurden dann bei nervtötendem Gebrauch gleich konfisziert. Da biss sich der große Bruder ungerührt einen Keks in Pistolenform, kniff die Augen zusammen, zielte und traf – peng!- den kleinen. Der tat das, worauf der Große es angelegt hatte, fasste sich an die Brust und fiel tot um. Ich schimpfte und scherzte, reichte eine Banane, wenn

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