Mutti packt aus
englischen Butlers, der auf herrschaftliche Entgleisungen mit unerschütterlicher Grandezza reagiert. Taktvoll, heiter und optimistisch bleiben, wenn mal was danebengeht, das habe ich mir vorgenommen. Das Glas ist immer halb voll, und wenn es umkippt, schimpft man nicht groß rum, sondern holt den Lappen und wischt den Saft auf. Wenn man sich nämlich unangemessen erregt gebärdet, merkt man gar nicht, dass der Pechvogel ja selbst Trost braucht, weil er den Apfelsaft lieber getrunken als verschüttet hätte.
Mit einer Selbstverleugnung, die einer Madonna gut zu Gesicht stehen würde, versuche ich seit der ersten Entgleisung, nur noch das Gute zu sehen. Also habe ich auch keine große Sache daraus gemacht, als meine Tochter am Neujahrstag beim Schneeengelmachen im Park ihren Schlüsselbund verlor. Warten wir einfach auf den Frühling! Nur vier Monate später war der Schnee getaut und der Schlüssel wirklich wieder da.
Mein seidenes Negligé hat die Große neulich zu heiß gebügelt. Ich habe meinen Aufschrei in eine Hustenattacke kanalisiert, später einfach den schwarzen Teer vom Bügeleisen gekratzt und tapfer behauptet, dass ich Baumwollnachthemden sowieso viel praktischer finde. Als mein Jüngster den CD-Player mit einer Salamischeibe gefüttert hat, habe ich mir den Ärger mit dem Argument ausgeredet, dass es sich ja schließlich um die beglückwünschenswerte, natürliche Experimentierlust eines technisch interessierten, naseweisen kleinen Jungen handelte – und nicht um eine dreiste Attacke auf mein Eigentum.
Wenn mir doch einmal der Kragen platzen will, weiß ich mir zu helfen. Notfalls denke ich einfach an all die kleinen und mittleren Katastrophen, die meine mitdenkenden und vorausschauenden Kinder auch schon verhindert haben: die wichtige Telefonnummer, die ich verschlampt, eines der Kinder aber vorsorglich notiert hatte, das nicht überlaufende, weil von Kinderhand abgedrehte Badewasser, das ebenso abgeschaltete Bügeleisen, die rettende Frage: Wolltest du nicht heute Abend Oma vom Bahnhof abholen?
Jetzt bin ich praktisch schmerzfrei, wenn es um zerstörte Gegenstände geht. Scherben pflastern ihren Weg – na und? Hauptsache, niemand ist verletzt. Kein Blut fließt, kein Finger ist ab, kein Herz gebrochen, der Rest ist Routine. Und hallo – wer hat je behauptet, dass es einfach ist, aus lieben Kindern liebenswerte Menschen zu machen? Gesandt, wenn auch nicht geschickt, so denke ich ab jetzt über meine Kinder. Geschick und Missgeschick sind ja nur eine Frage der Perspektive, sage ich mir und setze einfach die rosa Brille nie wieder ab.
Heute habe ich meinen iPod bei 60 Grad gewaschen und war danach wirklich nicht gut auf mich zu sprechen. Ich habe mir die Haare gerauft, die Fäuste geschüttelt, mich selbst unflätig beschimpft, verflucht, gegeißelt. Ich nun wieder! Wie kann man eigentlich so doof sein, einen teuren iPod in der Hosentasche zu vergessen, der Waschmaschine auszuliefern und dann auch noch mit tausend Umdrehungen pro Minute zu schleudern!!! Beinahe hätte ich mich wie Dobby selbst vermöbelt, wenn mein Jüngster mich nicht gestoppt hätte. »Sei froh, dass es ein iPod Nano war und kein shuffle«, gurrt er warm und traulich und streichelt meine Hand. »Der ist nämlich so klein, dass die Waschmaschine davon wieder kaputtgegangen wäre. Das wäre noch viel schlimmer! Und immerhin hast du die Wäsche gewaschen! Das ist doch toll!«
Wer ist die Schönste
im ganzen Land?
»Zickt Mandy schon wieder rum?«, besorgt steckt mein Jüngster den Kopf durch die Badezimmertür. Alarmiert durch den Umstand, dass seit zehn Minuten statt der beruhigenden Mahlgeräusche nur meine Flüche, Verwünschungen und Stoßgebete zu hören sind, versucht er, das Schlimmste zu verhindern, und wartet mit Sachverstand auf. »Hast du schon das Flusensieb kontrolliert?« Ich schnaufe wie ein verwundeter Wal. Er legt nach. »Morgen zum Turnier brauche ich mein Trikot!« Als ob ich nicht wüsste, wie dringend immer alles ist, was die Interessensphäre meiner minderjährigen Mitbewohner tangiert. Das Versagen von Haushaltsgeräten wird nicht toleriert. Deshalb haben wir der launischen Waschmaschine einen Namen gegeben. Denn was einen Namen trägt, kann man besser anflehen, beschwören und beschimpfen. Manchmal hilft das. Heute nich t.
Mandy ist verdammt noch mal dazu verpflichtet, zu laufen, wenn gar nichts mehr läuft. Wieso gibt sie jetzt – nach nicht einmal fünf Jahren und maximal einer Million Waschgängen –
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