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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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Anschaffung der gewünschten Spiele, DVDs, Flachbildschirme oder die hippen Designer-Jeans für dreijährige fashion victims. Ver drängt wird sogar der traurige Umstand, dass jeder Wunsch, kaum erfüllt, augenblicklich Junge kriegt …
    Andererseits sollen sie sich doch freuen, die Kleinen! Und für ein glücklich leuchtendes Kindergesicht tue auch ich wie alle anderen alles. Also gehen wir shoppen, bis die die Leuchtkraft implodiert, und erstehen die rosa Traumponys mit Lurexmähne gleich herdenweise, bilden den ausbleibenden Babyboom in Myriaden verschenkter Baby-Born-Puppen nach und verschenken Massen von Computerspielen, um uns dann in schwierigen Erörterungen über deren Nutzungsmodalitäten zu verzetteln.
    Noch mehr allerdings fürchte ich mich immer wieder aufs Neue vor der Herausforderung, eine vernünftige Geschenkekonzeption zu entwickeln und diese dann souverän gegen Andersschenkende wie Großmütter, Tanten und den Vater der Kinder verteidigen zu müssen. Was man mit Geschenken alles anrichten kann! Phantasie killen! Junge Hirne verblöden! Rollen festschreiben! Den Samen für Süchte aller Art säen. Meiner Mutter habe ich die geschenkweise Verabreichung von Barbiepuppen, Weltraummonstern und ferngesteuerten Rennwagen noch nie erfolgreich ausreden können. »Jetzt hab dich doch nicht so!«, stöhnt sie und weist mich patzig darauf hin, dass der Untergang des Abendlandes durch abstrus rosafarbige Schminkkoffer, batteriebetriebene Panzer und elektrisierende iPods nicht wesentlich beschleunigt wird.
    Den Vater meiner Kinder habe ich auf Knien angefleht, dem dringenden Wunsch nach einem Nagetier im Haushalt bloß nicht nachzugeben – nur, um am Weihnachtsabend mitansehen zu müssen, wie mein Sohn freudestrahlend die Maus im Käfig auspackt und sie präpubertär auf den Na men Pamela Anderson tauft, bevor er sie liebevoll in der Hosentasche verstaut. Und ich wollte seinen Bruder statt mit der gewünschten Lego-Star-Wars-Kiste mit einem dreibändigen Tier-Lexikon beglücken … Schande über mich!
    Einen als bekannt vorausgesetzten Herzenswunsch nicht erfüllt zu haben, kommt dem Tatbestand seelischer Grausamkeit schon gefährlich nahe. Das sehe ich jetzt ein und öffne todesmutig die Kuverts mit den Wunschzetteln. Oh Gott. Da steht, schön mit Glitzersternchen und Engelsgesichtern dekoriert, dass sie sich nichts mehr wünschen, als dass Papa wieder mitfeiert, wir alle zusammen sind und ich mir mal ein bisschen mehr Zeit für sie nähme. Meine Tränen prasseln aufs Papier wie Regen an die Scheiben. Kein Wunder, dass ich beinahe übersehen hätte, was klitzeklein unter den gemalten Herzen und Kerzen stand: dass sie das viel wichtiger finden als das alles, was sie auch noch gerne hätten. Ein Pferd, ein iPhone, den ganzen Harry Potter auf DVD, ein Schlagzeug, Bücher, Spiele und schöne neue Kleider sowieso.
    Dieses Weihnachten werde ich alles geben. Zuerst mache ich meinen Computer aus und stöpsle das Telefon aus der Wand. Dann binde ich mir eine riesige rote Schleife um den Bauch und lege mich unter den Weihnachtsbaum – ganz vorsichtig mitten in den Himalaya aus bunten Päckchen, die ich vor lauter Rührung dann doch noch gekauft habe.

Ferien-Burn-out
    »Fünf Tage noch!«, stöhnen die beiden Kleinen und lassen synchron den Ranzen fallen. »Was gibt’s zu essen?« Stumm deute ich auf den Topf, in dem Spaghetti brodeln. »Nur noch fünf Tage«, posaunt der Große aus dem Flur und lässt den Rucksack krachen. Und schon im nächsten Augenblick knallt die Große die Haustür zu, wirft ihre unikate Tussitasche quer durch die Küche und juchzt: »Fünf Tage noch, dann haben die Sackgesichter Pause!« Es klang vielleicht ein bisschen lahm, mein Echo. »Fünf Tage noch, toll. Geht jetzt mal alle Händewaschen.«
    Mir bleiben zwei Minuten, mich zu sammeln. Wo ich mich doch gern darüber aufrege, dass Burn-out etwas ist, das heute jeder hat, wenn er mal ein bisschen geschafft ist – ich habe jetzt auch einen und er schwächt mich schon, bevor er wirklich da ist. Noch dazu chronisch! Wenn ich recht überlege, habe ich so was jedes Mal, wenn die angeblich schönste Zeit des Jahres zu Ende geht und ich dem ersten Schultag entgegensehe wie einst die Jungfer dem Hochzeitstag … bangend, sicherlich, aber auch mit großen Erwartungen. Zum Beispiel der, dann endlich wieder in Ruhe arbeiten und Geld verdienen zu können, ohne mit Ausflugswünschen ins Schwimmbad, in den Klettergarten, auf eine Fahrradtour

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