Mutti packt aus
eine Kalaschnikow zum Spielen gewünscht wurde, und zog rhetorisch geschickt in kindgerechten Worten eine direkte Linie vom Sandkastengerangel über virtuelles Geballer, das direktemang zum Schulmassaker führt. Ja, für ein bisschen Frieden im Kinderzimmer war ich sogar bereit zu kämpfen! Allerdings bewirkt die Verdrängung von Gewalt offenbar nichts anderes als ihre umso aggressivere Rückkehr – vor allem bei mir. »Wieso willst du das alles eigentlich wissen?«, attackiere ich meinen Jüngsten, der sich jetzt von seinem Bruder die Namen der Panzer im Fuhrpark der Bundeswehr aufzählen lässt. »Na, die kommen doch nächste Woche alle hier nach Berlin, die Terroristen!«, verteidigt er sich entrüstet. »Die treffen sich in den Messehallen und zeigen ihre Kanonen und ihre Raketen und ihre Panzer!«, schwärmt er. Ich fahre rechts ran und atme tief durch. Da trumpft er auf: »Habe ich auf einem Plakat gelesen! Internationale Terrorismusbörse in Berlin!«
Wie sieht’s denn hier
schon wieder aus!
Der rote Lego-Sechser, dessen harte Kanten sich mit dem Druck meines ganzen Gewichts tief in meinen Fuß gebohrt haben, war schuld daran, dass ich die Balance verlor, auf dem großflächig ausgebreiteten Medi&Zini-Poster ausrutschte und kopfüber ins Puppenhaus krachte. Bitte, ich bin ein geduldiger Mensch und schreie nicht grundlos in der Gegend herum. Doch, doch, im Allgemeinen gelingt es mir ganz gut, mütterliche Aggressionen in pädagogisch wertvol le Bahnen zu lenken, um die Kulturtechnik des Aufräumens in den Herzen, Hirnen und Händen meiner Kinder dauerhaft zu verankern. Spielerisch regte ich einst jeden Zweijährigen in meinem Haushalt dazu an, abends den Matchbox-Autos einen Parkplatz zu suchen, die Kuscheltiere ins Bett zu bringen und für die Bilderbücher ein ruhiges Plätzchen im Regal zu finden. Ich mimte stets Munterkeit bei Vorschlägen wie – »und morgen machen wir was gaaanz Tolles, einen Frühjahrsputz, damit die liebe Sonne wieder in unsere Wohnung lacht!« und stellte ausschweifende Belohnungsrunden im Eiscafé in Aussicht. Ich übe täglich, vorwurfsfrei zu kommunizieren und habe so manche klare Ich-Botschaft gesendet: »Du, das macht mich total traurig, dass ich immer dein Zimmer aufräumen muss.« Auch verstärke ich gern positiv: »Schau mal, wenn du jetzt deine schmutzigen Socken in die Wäschetonne trägst, habe ich auch Zeit, dir vorzulesen.« Rückfälle in die pädagogische Steinzeit mit geknarzten Befehlen wie: Wenn du nicht sofort den Müll runterbringst, fällt die Sendung mit der Maus au s/ gibt’s kein Taschengel d/ kannst du den Zoobesuch vergessen, kommen praktisch gar nicht mehr vor.
Erfolg gleich null.
Im Zimmer meiner Töchter kullern grünbepelzte Joghurtbecher über den Fußboden, der mit kleinen geblümten Unterhöschen, einer Unmenge überwiegend pinkfarbener Socken, zerknüllten Bonbonpapieren und angebissenen Schokoladenkeksen übersät ist. Aus dem Schulranzen ragt eine unterschlagene Mathearbeit, an der ein zerrissenes Flutschfinger-Eispapier klebt. In den Tiefen der Schränke entspringt ein reißender Strom aus Klamotten, zer knautschten Pixi-Büchern und diversen Hello-Kitty-Devotionalien, der sich auf den Fußboden ergießt und jede Ordnung unter sich begräbt, wenn man so töricht ist, die Schranktüren zu öffnen. In den Sporttaschen meiner Söhne moussieren Fußballtrikots ungestört neben schmutz starrenden Schienbeinschonern und matschverkrusteten Fußballschuhen. Panini-Fußball-Sammelbildchen schauen mich von überall her an, Lego-Eimer und Playmo-Kisten türmen sich zu einer grellbunten, bedrohlich schwankenden Wand, hoch wie Gefängnismauern. Unter der Kommode gründen Herden von Wollmäusen boshaft kichernd riesige Populationen, die in meinen schlimmsten Alpträumen selbständig zum Jugendamt wandern. Über den Küchenfußboden kriecht ein Käfer und seufzt. Aufgerissene Verpackungen grinsen mich aus dem Kühlschrank böse an, und zwischen Pfützen verschütteter Säfte künden undefinierbare Bröckchen, Brösel und Krümel von der Vergeblichkeit meiner Mühen, einem gepflegten Haushalt vorzustehen. Und weil bei uns nichts mehr läuft außer der Waschma schine, kollabieren jetzt alle meine maternalen political- correctness-Systeme.
Mein Mutterkamm schwillt und mein Mutterkragen platzt. Gut, ein heiteres, nur leicht bekümmertes »Hoppsala« wäre vielleicht diesem kleinen Unfall angemessener gewesen als die Tirade aus nicht zitierfähigem
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