Mutti packt aus
verkehrt nicht. Ich hätte da so eine Idee …
Verkehrte Welt
»Wie war’s denn heute in der Arbeit?«, fragt meine Tochter, kaum dass ich den Mantel ausgezogen habe. »Gut«, sage ich knapp und bete insgeheim, dass sie’s damit bewenden lässt. Ich möchte nämlich den ganzen Ärger dieses Tages rund ums Eurojagen mit den vielen nervenden Schwachmaten in Behörden, Redaktionen, Bussen, Lehrerzimmern und Supermärkten so schnell wie möglich vergessen und einfach nur irgendetwas essen, zu Hause sein, die Beine lang machen, den ein oder anderen pflegeleichten Wonneproppen knuddeln, vielleicht ein bisschen fernsehen und jedenfalls nicht mit tausend Fragen nach meinen Erlebnissen belämmert werden. »Nie erzählst du was! Man weiß ja gar nicht mehr, was so los ist!«, empört sie sich. »Sag mal, verheimlichst du mir etwas?« Spätestens da hätte ich den Braten riechen müssen. Aber nein, stattdessen tappe ich stracks in die nächste Falle.
»Heute war ich übrigens beim Zahnarzt, und da habe ich gleich für nächste Woche einen Termin für dich vereinbart«, säuselt mein Sohn in absichtsvoller Beiläufigkeit und reicht mir fürsorglich ein Zettelchen. »Damit du’s nicht vergisst!« Seine kleine Schwester souffliert honigsüß, unterlegt mit imperativ getöntem Charme: »Keine Widerrede, mein Schatz! Von alleine gehst du ja doch wieder nicht hin!«
In diesen jungen Gesichtern lauert irgendwo versteckt unter dem unschuldig leuchtenden Firnis ein gemeiner Hinterhalt. Aber wo? Ich schaffe es gerade noch, von sprachloser Überraschung in den wortreichen Angriffsmodus zu wechseln, überspringe dabei die Passage des einfühlsamen Nachfragens, souveränen Argumentierens und behutsamen Vergewisserns, richtig verstanden zu haben. Meine Augen ziehen sich ganz von selbst eng wie Schießscharten zusammen. Was ist hier eigentlich los? Ich will mich rechtschaffen über diese unstatthafte Bevormundung meiner ureigensten Belange empören, als der Jüngste mir jäh das Wort abschneidet, jovial auf die Küchenuhr deutet und mich übertrieben munter darauf hinweist, dass es nun an der Zeit ist, nach Bettenhausen auf den Federball zu gehen. Aber vorher müsste ich noch ganz doll gründlich Karius und Baktus vertreiben. Es folgen vierstimmig vorgetragene Nachfragen im Hinblick auf die lange Liste meiner nun mal zu erfüllenden Pflichten und den Zustand meines Zimmers, das angeblich aussieht wie ein bewohnter Bombentrichter – eine Salve aus fürsorglichem Vorausdenken, Mahnen, Erinnern und Einfordern leichtfertig gegebener Versprechen. Und zu guter Letzt schnüffelt der Jüngste betont pantomimisch an mir herum. »Mal wieder Zeit für ’ne Dusche, hm, Kumpeline?« Er zwinkert mir zu, fragt forsch: »Hast du eigentlich deine Tasche für morgen schon gepackt?« Die Falle schnappt mit lautem Knall zu. Ich schnappe nach Luft, rolle mit den Augen und stampfe mit dem Fuß auf. Dass es doch wohl meine Sache sei, wann ich zum Zahnarzt oder ins Bett gehe, meine Tasche packe, dusche und erst recht wie mein Zimmer aussieht … Sie quittieren das jetzt alle vier lässig mit überheblichen, falsch freundlichen Verweisen: Nicht in dem Ton! Schön sprechen!! Und jetzt aber dalli!!! Oder müssen wir erst böse werden???
Unter den stroboskopartigen Blicken von acht Kinderaugen spüre ich plötzlich einen unflätigen Trotz in mir erwachen. Er hebt sein wildes, zotteliges Haupt, knurrt wie Donnerhall, hebt drohend die Lefzen und entblößt eine Doppelreihe spitzer weißer Zähne, hinter der ein blutroter Rachen aufleuchtet. Seine Augen blitzen gelb und böse. Jetzt steht er da, auf vier muskelharten Beinen, bläht die Nüstern, schnaubt, und schon bebt der Küchenfußboden unter seinen bratpfannengroßen, alles zermalmenden Hufen. Hallo!!!!!
Vier Kinder kichern, japsen, wiehern vor Vergnügen. »Reingefallen! Selbst schuld! Haste doch gestern selbst gesagt! Dass du in unserer Familie mal Kind sein willst!«
Mama 2.0 beta
»Finns Mutter hat sich gestern den Klingelton von Kill Bill runtergeladen«, bemerkt mein Jüngster so betont lässig, dass ich hätte misstrauisch werden müssen. Feixend schaut er zu seinen Schwestern, die sich gegenseitig Ellbogen in die Rippen stoßen. Der Große hat die Arme vor der Brust verschränkt und mustert mich kalt. Alle vier glucksen erwartungsfroh. »Was? Echt? Den ganzen Film?«, gebe ich gespielt ungläubig zurück und nach dem berühmten Moment, in dem man eine Stecknadel hätte fallen hören können,
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