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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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bricht ein Orkan los. Kübelweise gießt man Spott und Häme über mein ramponiertes Selbstbewusstsein, ganze Lachsalven bombardieren meine Mutterwürde. Dabei wollte ich nur mal wirklich schlau sein! Indem ich so tue, als sei mein Unwissen in technischen Dingen nur vorgetäuscht, würden sie bald ahnen, dass ich in Wahrheit ein Checker bin und nur aus Bescheidenheit und Rücksicht auf ihre Gefühle Unvermögen vortäusche.
    Très très tricky, diese Strategie. Bei Brettspielen hat das jahrelang geklappt, hier und jetzt allerdings verpuffen meine Listen. Keiner kauft mir ab, dass ich auch nur in der Lage wäre, einen iPod von einer Tafel Schokolade zu unterscheiden. Auch, dass ich letztens »Kindle« für eine Biersorte hielt, lässt sich wohl nicht mehr aus der Welt schaffen. Man amüsiert sich täglich über mich und meine Ahnungslosigkeit und erheitert einander mit üblen Nachreden wie der, dass ich wahrscheinlich sogar glaubte, »Diesel« bekäme man nur an der Tankstelle. Seit ich von meinem neuen Handy behauptet habe, dass ich jetzt nur noch eine payback-Karte bräuchte, um lostelefonieren zu können, ist mein Ruf in Sachen Kommunikationstechnologie restlos ruiniert. Bitte, ich hatte mich versprochen! Glaubt mir natürlich keiner. »Ja, ja, Mama, schon klar. Ich versprech mich auch dauernd in Mathe …«, näselt mein kleines Mädchen gönnerhaft. »Und ich verlier ja auch nur aus Spaß immer meinen Fahrradschlüssel!«, juchzt ihr Bruder, der vor kurzem noch prahlte, beim Super-Mario-Daddeln den dritten Löffel erreicht zu haben.
    Ich bin jetzt hochmuttiviert, meinen Reformstau aufzulö sen. Es ist doch nichts dabei, wenn ich nicht weiß, wie man die Ferienfotos erst aus der Kamera kriegt, dann in den Computer und von da auf einen Stick – nur den dann noch folgenden Weg zum Fotoladen kann ich widerspruchsfrei und ganz ohne Hilfe digitaler Stadtpläne herunterbeten.
    Aber es ist viel zu gefährlich, sich von den Kindern Rat zu holen, weil die ihren Wissensvorsprung gnadenlos ausnutzen und so arrogant ausspielen, dass man sie am liebsten ihren eigenen Avataren auf den Hals hetzen würde. Nun gut. Sobald ich einen Erwachsenen gefunden habe, der auf Anhieb versteht, was man mit den Gerätschaften in der Reklamebeilage von Saturn eigentlich anstellt, mache ich mich noch schlauer als ich schon bin. SMS schreiben geht ja schon ganz ordentlich, mailen kann ich ohne kindlichen Support. Bald schon werde ich in der Lage sein, die Blogosphäre zu besiedeln und überall, wo’s mir passt, meine Meinung zum Lauf der Dinge posten. Follower werde ich nur außerhalb der Familie rekrutieren. Ha, euch werd ich was twittern!

Wie man sich
reich spart
    »Ist dein Kontinent leer?«, kommt es mitfühlend von links unten neben mir. Der Geldautomat hat zuerst ordnungsgemäß meine EC-Karte geschluckt, dann jedoch keinen Schein ausgespuckt und jetzt offensichtlich auch noch die Karte gefressen. So eine Pleite. Mein Gott, Kind, ja, das Kon to ist leer. Schon hebt das alte Gespenst, der familiäre Ruin, wie der sein grausliches Haupt und zischt böse: Nun, meine Liebe, wie wird es dir diesmal wohl gelingen, die Durststrecke in ein weiteres familiäres Abenteuer umzudeuten?
    Abends dann zeigen sie in der Tagesschau den Finanzminister, wie er gemessenen Schrittes zum Rednerpult geht, an der Brille nestelt und sich anschickt, die Zahlen zum Haushaltsbudget zu präsentieren, und ich versinke in einem Tagtraum. Wie wäre es wohl, wenn ich so vor die Familie träte, um unsere gegenwärtige Haushaltslage zu erläutern? Beim Abendessen würde ich mich erheben, mit kontrollierter Eleganz meine Armbanduhr abstreifen und vor mich hinlegen. Während ich dann noch geräuschvoll meine Papiere ordne, breitet sich schon respektvolles Schweigen am Küchentisch aus. Kurz streife ich die skeptischen Gesichter meiner Kinderfraktionen mit einem Rundblick und hole tief Luft: »Auch im vergangenen Jahr ist es nicht gelungen, den Haushalt vollständig zu konsolidieren.« Schon wird’s unruhig auf den Bänken der Opposition. Man schüttelt den Kopf, man stößt dem Nachbarn den Ellbogen in die Seite. Raunen hebt an. Mein Koalitionspartner nuschelt etwas von defizitärer Bargeldproduktion. Mein strenger Blick lässt ihn verstummen. Äußerlich unbeeindruckt fahre ich fort. »So konnten zwar einerseits dank konsequenter Kraftanstrengungen dieser Regierung beträchtliche Einsparungen mittels pauschaler Minderausgaben im Bereich koffeinhaltiger Kaltgetränke und

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