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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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kurzlebiger Konsumgüter erreicht werden.« Erste Zwischenrufe werden laut: Hört, hört! Eine Schande ist das! Und: Cola ist Menschenrecht!
    Ich überhöre das alles und lege ein klein wenig mehr Nachdruck in meine Stimme. »Doch leider hat der Konsum von Gummibärchen, Apfelringen und Müsliriegeln die fixier te Ausgabenlinie bei weitem überschritten, so dass sich hier keine weiteren finanziellen Spielräume eröffnen. Im Gegenteil«, intoniere ich forsch, »nur ein ungewöhnlich striktes Sparprogramm wird im laufenden Haushaltsjahr die Nettoneuverschuldung für dringend notwendige Investitionen im Infrastrukturbereich unter der gesetzlich festgeschriebenen Höchstgrenze halten.« Buhrufe schallen mir entgegen, die ich mit beschwörend erhobenen Händen abwehre. Dann tanke ich Kraft mit einem Blick auf die säuberlichen Zahlenkolonnen auf meinen Papieren und führe aus, wie die dramatisch angespannte Einkommenssituation Etatkürzungen auch in Schlüsselressorts nahelegt. »Insbesondere die ausgemachte Subventionsmentalität der älteren Fraktion droht die Leistungsträger an die Wand zu drücken. Das Budget wurde durch das gleichzeitige Herauswachsen aus vier Paar Turnschuhen, den Verschleiß zweier Paare Fußballschuhe, dem spurlosen Verschwinden von drei Jeans, fünf Pullovern und siebzehn Handschuhen empfindlich belastet«, fahre ich fort, als die ersten Transparente entrollt werden. »Auch ist die Mobilität der regierungseigenen Fahrbereitschaft nicht mehr gesichert, seit die Energiekosten explodiert sind.« Während ich ein paar packende Appelle über Eigeninitiative, Risiko und Verantwortung formuliere, ein Ende des Wartens und Murrens mündiger Mini-Bürger heraufbeschwöre, fliegen die ersten Eier. Ich lenke geschickt ein wenig ein. »Fairnesshalber muss erwähnt werden, dass die jüngere Fraktion durch ihre tapfere Bereitschaft, zerlöcherte Hosen und verblichene T-Shirts ihrer Vorgänger aufzutragen, die Belastungen des Gesamtetats ein wenig ausgleichen konnte.« Selbstzufrieden, mit einem überheblichen Grinsen lehnen die einen sich zurück, während die anderen empört von den Sitzen springen. Aufregung im Hohen Haus, erste Ordnungsrufe. »Außerdem müssen die Kosten für verlorene Monatskarten, ver schlampte Federmäppchen und Plastikeinkaufstüten aufgrund vergessener Stoffbeutel privatisiert und künftig vom Taschengeld bestritten werden. Letzteres wird auf dem Stand des Börsenkrachs von 1929 reduziert und eingefroren.« Jetzt krachen Fäuste auf den Tisch, erregte Zwischenrufe machen sich Luft, sogar Rücktrittsforderungen werden laut. Erhobenen Hauptes fahre ich fort: »Auch die Inanspruchnahme von Kommunikationstechnologie und Unterhaltungselektronik muss überdacht werden. Wie sich nach exakter Prüfung der Ausgaben hierfür herausstellte, wäre mit dem Geld, das im letzten Jahr für Handy, Internet und Videothekgebühren ausgegeben wurde, eine viermonatige Reise zur Rückseite des Mondes für die ganze Familie zu finanzieren gewesen.« – »Tolle Idee«, tönt’s hämisch, »vielleicht reicht’s ja für dich alleine!« Ich bin aber nicht zu beirren: »Außerdem müssen wir als Solidargemeinschaft die Kooperation von allen Bürgern fordern, was den exorbitanten Energieverbrauch durch andauernde Festbeleuchtung, ausgedehnte Badeorgien und den fortwährenden Betrieb der Waschmaschine betrifft. Die Regierung geht hierbei mit gutem Beispiel voran und wird den Genuss von Rotwein auf 1,3 Liter in der Woche beschränken.« Und so geht das weiter, bis ich nach zwei Stunden gerührt, aber unerschüttert und unter donnerndem Applaus dem Hohen Haus für die Aufmerksamkeit danke. Auf eine Wiederwahl darf ich mir wohl Hoffnung machen. Denn einmal mehr habe ich die familiäre Haushaltslage vor dem Ruin und uns alle vor dem Abstieg ins Prekariat gerettet.

Total versext
    »Mama, wenn die Frauen am Flughafen durch die Kontrolle müssen und so eine Spirale aus Eisen im Bauch haben«, erkundigt sich mein Jüngster beiläufig beim Abendessen, »sag mal, piept das dann auch?« – »Vielleicht«, versuche ich das Thema höflich durchzuwinken, »und jetzt sei so gut und reich mir mal den Käse.« Doch so schnell gibt er nicht auf, der Gute. »Aha«, sagt er zufrieden, »dann hast du so was nicht. Weil, bei dir piept’s ja nicht.« Seine beiden Schwestern kichern. »Nee, sie hat ja doch uns! Frauen mit Spirale wollen nämlich keine Kinder!« Er runzelt die Stirn, und ich kann sehen, wie schon die nächste

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