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Mutti packt aus

Mutti packt aus

Titel: Mutti packt aus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Kühn
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zwischen schwankenden Palmwedeln hin und her, kreische, schlage mir auf die Brust und schmeiße Kokosnüsse.
    Edel wäre, den üblichen Verdächtigen lediglich die eigene Betroffenheit zu vermitteln und sie an der Wiedergutmachung zu beteiligen. Hilfreich wäre, etwas System in die Fülle der Übeltaten zu bringen, indem man schon mal zwischen »aus Versehen« und »mit Absicht« unterscheidet. Gut wäre, sich nicht lange mit der Suche nach dem Schuldigen aufzuhalten, sondern einfühlsam darüber nachzudenken, warum ein Kind erst stiehlt oder lügt oder Sachen kaputtmacht und dann alles leugnet. Ach, Pädagogik! Manchmal bist du einfach zu viel verlangt!
    »Ich geh zur Polizei!«, verkündet mein Großer am nächsten Tag und erklärt uns siegesgewiss, warum ausgerechnet er das unter Zehntklässlern am heißesten begehrte Schüler-Praktikum praktisch schon in der Tasche hat. »Die nehmen mich sofort, weil ich so viel Erfahrung mit euch habe.« Ins erschrockene Schweigen seiner Geschwister hinein breitet er genießerisch alle Delikte aus, die ihm in seinen sechzehn Jahren berufsvorbereitendem Familienleben untergekommen sind: »Sachbeschädigung, Ruhe störung, Falschaussagen, Diebstahl.« Er mustert seine Schwestern kalt. »Lass den Penner doch quatschen«, tröstet die ältere die jüngere und tippt sich beidhändig an die Stirn. »Beleidigung kommt auch noch dazu«, ergänzt er ungerührt. »Körperverletzung, üble Nachrede, Betrug …« Sein Blick wandert zu seinem kleinen Bruder, der prompt zusammenzuckt. »Kriegst du auch eine Pistole beim Praktikum?«, forscht er schreckensbleich. »Jetzt mach aber mal halblang«, unterbreche ich die Litanei des adoleszenten Superbullens, und jetzt schaut er mich an. »Ach ja, Freiheitsberaubung und Falschparken.«
    Das kann doch nicht meiner sein. Bei Gelegenheit muss ich mal einen Mutterschaftstest machen. »Hallo!!!«, versuche ich meinem pädagogischen Seiltanz etwas Schwung zu geben. Er grinst nur. Seinem Bruder steht der Mund offen. Er leuchtet von innen heraus wie ein illuminierter Weihnachtsengel. Reinste Unschuld. »Wieso? In Familien darf man das doch alles?«
    »Seht mal«, gurre ich honigsüß und steige von der Palme, um voll mütterlicher, missionarischer Milde für unser aller Chance auf Bewährung zu werben. »Nur den Schuldigen zu suchen, ist doch blöd. Eigentlich hat man ja meistens gar nichts davon, wenn man weiß, wer den Fleck auf den Teppich gemacht hat oder wer Sachen verschlampt hat. Eigentlich kann einem ja nur daran gelegen sein, den Schaden so schnell wie möglich zu beheben.« Sie seufzen gelangweilt. »Ist doch egal, wer die Fernbedienung verschlampt hat«, gebe ich mich versöhnlich. »Suchen wir einfach alle zusammen!« Stimmt doch – je weniger man sich mit der Suche nach dem Schuldigen aufhält, desto größer sind die Chancen, dass man zumindest den vermissten Gegenstand findet. Manchmal fördert das dann ganz nebenbei auch die Aufklärung bei der Tätersuche. Sehr würdevoll und langsa mer als die Kontinentalverschiebung öffnet mein Sohn den Kühlschrank und reicht mir die Fernbedienung heraus. »Welcher Depp war das denn?«, frage ich entsetzt. Und während sich meine Blamage in vier unverhohlen schadenfrohen Kindergesichtern spiegelt wie Narziss im klaren Bergsee, muss ich wohl oder übel die genüsslich ausgekostete Antwort einstecken. Verdammt, neulich abends in der Werbepause, als ich mir ein Käsebrot geschmiert habe … Da bricht’s auch schon vierstimmig über mich herein. »Na du!«

Wie die schon wieder
reden …
    »Kann ich Apfelsaft?«, nölt mein Jüngster. »Was denn? Wegschütten? Aufessen? Verschenken?«, keife ich routiniert zurück, zutiefst deprimiert über meine einförmige Sprechrolle in diesem lausigen, seit gefühlten hundert Jahren aufgeführten Stück. »Trinken!«, stöhnt er in rechtschaffen empörtem Ton. Wahrscheinlich hält er mich wirklich für blöd, weil mir das richtige Verb zum Substantiv Apfelsaft nie von selbst einfällt, wo er doch schon auffordernd das Glas hinhält. Dabei ist das nur wieder so eine schlaue List, um seine Gefühle nicht zu verletzen. Aber es geht mir maßlos auf die Nerven, wie meine Kinder reden und mich lückenlos mit gesprochenen Lückentexten traktieren. Mal muss ich Verben einsetzen, mal den richtigen Fall ergänzen, sehr oft einen fehlerhaften Ausdruck korrigieren. Also ob ich es wäre, die in Sachen akzeptabler Sprache unablässig trainiert werden müsste! Kann ja sein, aber

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