Mutti packt aus
Referat!«
Eltern – schaf(f)t!
»D ie Klasse würde sich sehr freuen, wenn auch Sie als Eltern schaft an dem Völkerballwettbewerb am letzten Julisonntag teilnehmen würden«, steht in der Einladung, unterzeichnet von der engagierten Klassenleiterin. Die gestrichelte Linie daneben mahnt meine Unterschrift als elterliches Elementarteilchen an. Plötzlich streikt der Kuli in meiner Hand. Kann eigentlich eine Elternschaft an einem Wettbewerb teilnehmen? Kann eine Klasse sich freuen? Ist ja schon gut, Leute, ich weiß, was gemeint ist. Aber wenn ich mir hier schon als Spaßbremse einen Namen machen soll, dann gleich richtig: Habe ich Lust, mich an einem Julisonntag bei 32 Grad im Schatten in Sportzeug zu werfen, dessen Anblick eigentlich den Bäumen im Park vorbehalten bleiben sollte, zu einem Völkerballwettbewerb zu gehen und vorher noch fünfzig Cupcakes fürs anschließende Picknick zu backen? Nein, habe ich nicht. Sensible, notorisch engagierte Eltern müssen jetzt sehr tapfer sein: Aber meinen Sonntag will ich für mich und für meine Lieben! Am Sonntag packen wir die Badehosen und das kleine Schwesterlein ein und fahren an den Wannsee. Oder wir lümmeln einfach nur zu Hause herum und denken uns notfalls Geschichten über tolle Wochenenderlebnisse für den Stuhlkreis am Montagmorgen aus. Ohne was erzählen zu können, weigert sich mein Jüngster nämlich, in die Schule zu gehen. Und »Rumhängen reicht nicht, Mama!«, betont er schon am Sonntagmorgen den Ernst der Lage. Ich finde schon: Am Sonntag will ich meine Kinder und wollen meine Kinder mich genießen, sie sollen frei haben, frei sein, anstatt Termine abzuarbeiten. Von der Schule möchte ich von Freitagnachmittag bis Montagmorgen nicht behelligt werden, schon gar nicht in meiner Eigenschaft als Zwangsmitglied von irgendwas.
Mich würde mal interessieren, wie solch eine Idee geboren wird. Von irgendeinem Schulkind, dessen bin mir sicher, wird sie nicht ausgehen. Hat man je einen Achtjährigen sagen hören: »Die Elternschaft scheint mir in letzter Zeit so wenig engagiert. Was könnten wir tun, um den Zusammenhalt zu festigen? Wir als Klasse würden uns freuen, wenn …«
Also hat sie im Lehrerzimmer ihren Ursprung? Ist es möglich, dass ein erwachsener Mensch, der außerhalb seiner Arbeit auch noch ein Leben und Interessen hat (ich setze das jetzt mal wohlwollend voraus), in die missmutig Leberwurststullen mampfende Pädagogenrunde wirft: »Verehrtes Kollegium, sollten wir nicht am Sonntag ein Turnier veranstalten, um den Zusammenhalt zwischen Lehrkörper, Schüler- und Elternschaft zu festigen?« Und warum springt dann nicht, sagen wir: eine neue, junge Lehrerin auf, tippt sich an die Stirn und ruft: »Hey, noch alle Tassen im Schrank? Meinen Sie, die armen Eltern haben sonntags nichts Besseres zu tun, als sinnfrei auf dem Schulhof herum zutoben? Wir sollten unsere Energie vielleicht lieber darauf verwenden, den Unterricht so zu gestalten, dass er Spaß macht und ihn die Schüler erfolgreich bewältigen – dann kommt das mit dem Zusammenhalt von ganz alleine. Oder eine Art wöchentliche Telefonsprechstunde einrichten, wenn wir so viele zeitliche Vakanzen haben. Da könnten die wirklichen Sorgen und Probleme von Eltern und Schülern zur Sprache kommen, auf die wir dann von montags bis freitags reagieren könnten. Hm? Ich meine, wir sind doch nicht die Kumpels unserer Schüler, sondern ihre Lehrer! Außerdem: Vielleicht wollen die ganzen Eltern gar nicht unbedingt ihre Freizeit miteinander teilen, geschweige denn die Schüler ihre mit uns oder den Eltern anderer Schüler?« Aber nein, niemand springt auf und spricht aus, dass diese lorioteske Art von peinlichen Zwangssolidarisierungsmaßnahmen, von gemeinsinnstiftenden Mumpitz-Geselligkeiten höchstens dazu taugt, das schlechte Gewissen von Lehrern und Eltern zu bemänteln, die sich schlichtweg nicht trauen, derlei offenkundige Schildbürgerei rundheraus abzulehnen. Denn es ist ja für »unsere« Kinder! Und wer will schließlich etwas zum Wohle unserer Kinder unterlassen?
Aber wie sehen die eigentlichen Protagonisten das überhaupt? Sie einfach zu fragen ist riskant. Es wäre ja immerhin theoretisch möglich, dass alle Eltern außer mir das megacool finden, mit Lehrern und Eltern zusammen, Apfelschorle trinkend und Salzstangen mümmelnd, an einem Tisch zu sitzen und abwechselnd das Welthungerproblem und das Wetter zu erörtern. Dann hätte ich mich schon durch die Frage blamiert und als unengagiertes
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