Mutti packt aus
markiert, wann ich wieder zurück bin. Und in Betten, an Spiegeln und sogar zwischen den Sofakissen habe ich launige Zettelchen versteckt, auf denen Herzen und Smileys prangen, mit denen ich sie meiner Liebe versichere und nur hin und wieder zart mahne, nichts zu tun, was ich nicht auch tun würde. Auf dem Bonbonglas pappt ein post-it mit gemalter Zahnbürste, am Fernseher haftet ein warnender Totenkopf mit genauer Dosierungsvorschrift: höchstens zwei Stunden am Abend.
Am Kühlschrank klebt eine meterlange Liste aller Berliner Notrufe. Notfallgeld ist im Geheimfach, das alle kennen. Auf der Kondomschachtel, die ich unauffällig gut sichtbar im Bad neben dem After-Shave meines großen Sohnes deponiert habe, klebt ein schalkhaftes »Niemals ohne Minestrone!« Auf allen Spiegeln stehen alle Telefonnummern meiner einsatzbereiten Freundinnen. Und an meine höchstpersönliche halbvolle Kiste Bier auf dem Balkon habe ich einen Zettel geheftet: »Liebes Kind! Wenn du trinken willst, hand le nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie allgemeines Gesetz werde.«
Sie haben meinen Beschluss, für ein paar Tage verloren zu gehen, erstaunlich gelassen hingenommen. Mein Geschnatter über drohende und zu vermeidende Gefahren haben sie ergeben abgenickt, und als ich mich zu wiederholen begann, haben sie mich nachsichtig darauf hingewiesen, dass sie selbst durchaus auch ein Interesse haben, am Leben zu bleiben. Sie haben mühsam versucht, ihre Vorfreude nicht allzu deutlich zu zeigen. Plötzlich werde ich misstrauisch. »Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag, wenn ich nicht da bin?«
»Wir werden bestimmt nicht jeden Abend fernsehen!«, ruft die Kleine. »Wir spielen niemals Frisbee mit deinen CDs«, beteuert der Große. »Wir machen auch nicht die ganze Woche Party«, wirft sich der Kleine groß in die Brust und versichert sich mit einem schnellen Blick zu seinem großen Bruder, dass er sich da wirklich etwas enorm Freches zu sagen getraut hat. »Wir würden nie den Hund baden«, sagt treuherzig die Große, »das erlaubst du ja nicht!« Die Kleine legt den Kopf schief. »Vielleicht streiche ich endlich mal mein Zimmer pink«, sagt sie verträumt, und die Große stößt ihr den Ellbogen in die Seite. »Aua, nee, mach ich nicht«, fährt sie zusammen, »das hast du ja verboten!« Ihr kleiner Bruder trumpft auf: »Ehrlich, wir kochen auch keine Spaghetti nach der Franki-Methode! Das kannst du ja nicht leiden!« Oh je, wie wahr. Nach der Methode eines hochgradig beliebten Erziehers aus dem Kinderladen überprüft man, ob die Nudeln schon gar sind, indem man sie an die Wand wirft. Wenn sie hängen bleiben, sind sie fertig.
»Und wir räumen auf, wenn wir Kuchen backen!«, trällern die Schwestern im Chor, »Ehrenwort!«
Unsicher schaue ich von einem zum anderen. »Hauptsache, ihr vertragt euch!«, seufze ich. »Kein Ding!«, schwört der Große und legt zwei Finger auf die Brust. Die drei anderen nicken synchron. »Wenn du nicht da bist, vertragen wir uns immer!« Ich bin wirklich gegangen – schweren Herzens. Auf dem Treppenabsatz habe ich mich noch einmal umgedreht, weil mir noch etwas eingefallen ist. »Macht keinem Fremden die Tür auf!«. Der Jüngste kichert übermütig. »Nur wenn’s klingelt!«
Essen macht den Kindern Spaß
»Das ist eklig!«, schnaubt Charlotte und schiebt die Schüssel mit Kartoffelbrei weit weg von sich. »Kann ich eine Möhre?«, fragt sie und grapscht nach dem ordnungsgemäß angerichteten Teller Rohkost, den nach neuesten Erkenntnissen der Ernährungsexperten jede Mutter gehalten ist, ihren Kindern vor dem eigentlichen Menü zu kredenzen. Ihr kleiner Bruder sortiert konzentriert eine Erbse nach der anderen aus und lässt dann trotzdem alles stehen. Der Gro ße verlangt nach Ketchup, um seine Fischstäbchen darin zu baden, »sonst ess ich gar nichts!« Die große hat der kleinen Schwester jetzt die Möhre weggenommen, hält sie zwischen den Fingern und ruft: »Guck mal, ich rauche!« Mein tadelnder Blick prallt an ihrem rotzfrechen Grinsen ab, das unter dem beifälligen Gekicher ihrer Geschwister nur noch mehr aufblüht. Nick versucht, ein Fischstäbchen quer in den Mund zu schieben, währenddessen sich seine Schwestern nun mit Erbsen beschießen. Womit habe ich das eigentlich verdient? Doch wohl nicht damit: Zehn Minuten bin ich mit dem Fahrrad durch den strömenden Regen gefahren, um im Bioladen Biokartoffeln und Biomöhren zu besorgen. Konnte tatsächlich schon im
Weitere Kostenlose Bücher