Mutti packt aus
fünften Supermarkt frische Erbsen auftreiben! Und die Fischstäbchen, die habe ich selbst gemacht aus fangfrischem Rotbarschfilet zu Apothekenpreisen. »Die sind ja gar nicht echt!«, empört sich der Jüngste und hackt mit der Gabel drohend in die Luft.
Die meisten Mütter betreiben einen immensen Aufwand um das Essen. Bei mir ist das ja anders. Nur ausnahmswei se wage ich eine kulinarische Attacke auf das heilige Dreigestirn von Spaghetti, Spinat und Spiegelei. Ich finde eigentlich, dass gegessen werden sollte, was auf den Tisch kommt. Das geht ganz einfach: Ohne Murren schnipple ich Gurkenscheiben in Häschenform, stanze mit der Plätzchenform Sterne aus Käsescheiben, um die Salamifans zu verführen, oder schnitze mit links ganze Rudel von Radieschenmäusen. Weil mir das Füttern auf Verlangen seit Babyzeiten längst ehernes Prinzip geworden ist, serviere ich den Fußballfans in der Familie Klöße nach Klose-Art, vereine ich vegetarische und fleischfressende Oppositionen kulinarisch an meinem Tisch mit Bulettchen aus Gemüseraspeln, vitaminisiere Käsespätzle mit Karottensaft und kredenze zum Nachtisch täglich neuen Quatsch mit Soße. »Kann ich noch mehr?«, mit vollen Backen fordernd genuschelt, das wäre mein schönster Lohn. Allerdings passiert das selten. »Iiiiih!« , sagt einer und schüttelt entrüstet den Kopf, wenn ich frischen Salat, zarte Bobby-Böhnchen oder knackige Rote Bete auf den Tisch stelle. »Iiiih!«, fallen die anderen gleich ein, jedenfalls heute. Morgen kann das schon ganz anders sein. Völlig unberechenbar. Und damit ist jetzt Schluss. »Was gibt’s heute zu essen?«, fragen sie zur Mittagszeit und ich knurre böse: »Steht im Kochbuch!«
Ungerührt stellt der große Bruder den Topf mit kaltem Wasser auf den Herd, seine Schwester wirft fröhlich Nudeln hinein. »Heute kochen wir!«, wird mir versichert, während man mich energisch aus der Küche drängt. Eine Stunde später rufen sie mich zum Essen. Spaghetti gibt’s, mit Soße. Die sieht, unter uns gesagt, zwar aus wie etwas, von dem man ein gesundes, glänzendes Fell bekommt. Aber ich werde mich hüten zu nörgeln. Denn – anders als ich – würden sie dann nie wieder kochen!
Klicken und lernen
» Darf ich an deinen? Meiner hat sich gerade aufgehängt!«, fleht mein Großer. »Bittebitte Mama, es ist wichtig!« Er rauft sich die Haare, ringt die Hände, schüttelt die Fäuste und reckt erbarmungswürdig den Kopf gen Himmel. »Für die Schule!«, lügt er. Doch darauf falle ich nicht herein. Ha! Wer sein An liegen mit solcher Verve vorträgt, will am Computer spielen und nicht lernen. »Du lügst!«, sage ich freundlich. Allerdings hat die Wucht seines Wunsches hinter meinen verschränkten A rmen, im Grunde meines Herzens, schon den üblichen Wettlauf ausgelöst: Die Überzeugung, dass Kinder weitgehend computerfrei aufwachsen sollten, macht sich war m, und das schlechte Gewissen hockt schon in den Startlöchern. Sooo ungelegen käme mir nicht, wenn er heute Abend zu Hause bleibt. Denn ich will ins Kino, und der Babysitter hat m ich gerade versetzt. Und mein Großer hat sich mit weltmännischer Geste bereit erklärt, nicht auszugehen, sonder n einzuspringen und auf seine jüngeren Geschwister aufzupassen. »Darf ich?«, flötet er jetzt und lächelt – gewinnend. Mein Seufzen deutet er richtig. Ich gebe nach. »Aber nur eine Stunde! Versprochen?« Ich versuche, mein Gesicht zu wahren, indem ich mit strenger Miene und erhobenem Zeigefinger »Aber absolute Ausnahme!« nachschiebe. Er nickt beflissen. »Und nicht Battlefront , Final Fantasy , Killtime , Glory Wars , Hellblades , auch nicht Battle Knight und BiteFight «, rattert er b rav die Liste der verbotenen Spiele ab. » Modern Warfare , Call of Duty , Cross Fire ?«, frage ich skeptisch. »Niemals. Und Counter-Strike auch nicht! Nicht mal Halo ! Versprochen!« Treuherzig hebt er die Hand zum Schwur.
Bevor er sich noch weiter in Lügen verstricken muss, drücke ich jetzt doch mal ein Auge zu. Wird ihn schon nicht umbringen, wenn er mal ’ne Stunde ballert, denke ich im Stillen, denn ich muss los. Mit dem anderen Auge zwinkere ich ihm komplizenhaft zu. Den Fall haben wir schließlich geklärt. Unser Zuhause ist grundsätzlich eine zockerfreie Zone, spannende Game-Nischen werden nur unter meiner Aufsicht konsultiert, und coole kostenlose Panzerschlachten sind komplett verboten. Der spielerischen Nutzung des Computers gilt noch immer all mein Erziehungsenthusiasmus. Dabei
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