My scottish Dream
ziehe die Nase hoch und wische die
Träne weg, die sich über meine Wange stehlen will. Ich bin
nicht traurig, sondern gerührt. Sie hätten mir nichts
schenken müssen, aber sie haben es getan, noch dazu etwas, das
zeigt, dass ich zu ihnen gehöre.
»Warum
weinst du denn jetzt?«, fragt Ross verwirrt.
»Ich
weine doch gar nicht. Ich freue mich nur«, schniefe ich, dann
lache ich leise. »Ich bin einfach froh, dass …«
»Dass
was?«, hakt Dad nach.
»Ich
habe mich falsch ausgedrückt … Ich bin glücklich,
dass ihr mich in eure Familie aufgenommen habt, obwohl ihr nur diesen
Wisch habt, auf dem ein paar Zahlen stehen«, sage ich leise.
»Du
bist ein Teil unserer Familie, Allie, warum sollten wir das nicht
tun?«, möchte er wissen.
Ich
schüttele den Kopf. »Ich weiß es nicht. Ich …
ich habe bloß angenommen, dass Ross und Patrick mich nicht
leiden können, und hatte Angst.«
»Tut
uns leid, das Gefühl wollten wir dir nicht geben«,
entschuldigt sich Patrick.
»Das
ist doch nicht schlimm. Ich habe keine Ahnung, wie ihr euch gefühlt
haben müsst, als ich mit Blair hier aufgetaucht bin«,
erwidere ich. »Aber ich bin froh, dass ich mehr Familie habe,
als ich dachte.« Nun zeige ich ihnen ein Lächeln.
Meine
Brüder nehmen mich zwischen sich. »Du bist unsere
Schwester und du gehörst zu uns«, sagt Ross. Dann legen
sie meine Hände auf ihre Arme, doch ich hake mich bei ihnen ein.
»Wollen wir dann los, Dad?«, schmunzelt Patrick.
»Ja«,
nickt er. Er klingt amüsiert. Dad wendet sich ab und geht in den
Flur, wohin wir ihm folgen. »Möchtest du mit deinem Wagen
fahren oder soll dich einer von uns mitnehmen?«, erkundigt sich
mein Vater.
»Ich
würde gerne bei dir mitfahren, dann können wir uns noch ein
wenig unterhalten«, erwidere ich.
»Und
wir dachten, dass du bei uns mitfährst«, lacht Ross.
Ich
schaue zu ihm hoch. »Auf dem Rückweg?«
»Das
ist ein Deal.«
Danach
gehen wir zu den Autos und ich steige bei meinem Dad ein. Patrick und
Ross steigen in einen schwarzen Geländewagen hinter uns und
fahren auf die Straße. Mein Vater folgt ihnen. »Weißt
du inzwischen, ob du hier bleibst?«, fragt er.
»Ja,
ich … ich bleibe. Ich habe ein Jobangebot aus Livingston, wo
ich als Fotografin arbeiten kann. Gramps hat mich gebeten, bei ihr zu
bleiben, weil ich die Einzige bin, die sie noch hat«, antworte
ich.
»Livingston?
Das ist ja gar nicht so weit weg«, sagt Dad.
»Stimmt,
von Gramps sind es knapp 45 Minuten.«
Er
sieht zu mir herüber, als er mich fragt: »Was wird aus der
Wohnung in Amerika?«
»Nach
den Highland-Games fliege ich zurück, um sie aufzulösen,
und wenn ich den Umzug organisiert habe, komme ich zurück. Der
Job ist ab September und so habe ich noch genügend Zeit, alles
zu erledigen.«
»Also
hast du alles soweit geplant«, stellt er nickend fest.
»Ja,
ich muss nur noch eine Wohnung finden und … einen Kassensturz
machen, da die Reise schon ziemlich an meinen Ersparnissen geknabbert
hat. Der Umzug wird sicher nicht billig und neue Möbel brauche
ich bestimmt auch noch«, entgegne ich nachdenklich.
»Brauchst
du Unterstützung?«, hakt er interessiert nach.
»Nein,
das bekomme ich allein hin.«
Nun
schmunzelt er. »Deine Mutter … wollte auch alles allein
schaffen. Ich durfte ihr nie bei etwas helfen.« Dann seufzt er.
»Hat sie lange gelitten?«
Ich
knete meine Hände. »Der Krebs wurde vor zwei Jahren
diagnostiziert. Mum hat lange gekämpft und es sah auch gut aus,
bis sie auf einmal abgebaut hat. Vor ein paar Wochen hat sie dann für
immer die Augen geschlossen.«
Dad
seufzt tief. »Ich wünschte, ich hätte sie noch mal
sehen und mit ihr sprechen können. Bis heute konnte ich sie
nicht vergessen und ich denke täglich an sie.«
»Ich
glaube, sie hat dich auch nicht vergessen. Ich habe noch ihre
Tagebücher und alles, was sie hinterlassen hat. Wir können
es uns gemeinsam ansehen, wenn alles hierher verschifft wurde«,
biete ich an. »Wann sind diese Highland-Games eigentlich?«,
frage ich danach, weil ich das Thema wechseln möchte. Über
Mum zu sprechen tut mir immer noch weh, obwohl ich mich daran
gewöhnen konnte, dass sie stirbt. Sie fehlt einfach.
»Übernächstes
Wochenende. Du begleitest uns doch, oder?«, erkundigt sich Dad.
»Ich
wollte sie mit Gramps besuchen, das habe ich ihr versprochen.«
»Wir
können gemeinsam fahren. Ross und Patrick nehmen teil, aber ich
bin mittlerweile zu alt dafür. Ich schaue nur noch zu und so
säße ich nicht alleine
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