My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
dann?«
»Nicht: Was dann? Es muss heißen: Wer dann?«
Ich kapierte nicht gleich. »Wer dann?«, wiederholte ich. »Du meinst aber nicht Pa?«
Meine Ma nickte.
»Sag bloß! Pa war ein Esel zwischen zwei Heuhaufen?« Es dauerte, bis ich das verdaut hatte. »Davon hab ich aber nichts mitbekommen. Pa hat keine Freundin. Ehrlich nicht. Olga, das ist unsere Haushaltshilfe, ist so neugierig, dass sie das im Nu herausbekommen und gekündigt hätte. Sie betet Pa an!«
»Ich sagte nicht, dass dein Vater eine Freundin hat«, erinnerte mich meine Ma.
»Stimmt. Du sagtest, er hatte eine. Und?«
»Er konnte sich nicht entscheiden.«
»Na ja … Das verstehe ich, das kann man nämlich nicht von heute auf morgen.«
»Er hatte die Freundin schon länger als ein ganzes Jahr, bevor ich davon erfuhr.« Meine Ma schaute wieder auf die Wiese. Klar, das Grün war echt eine schöne Farbe. »Und dann dauerte es noch mal ein ganzes Jahr, bis ich mich zum Gehen entschlie ßen konnte.«
»Was? Ein ganzes Jahr hast du ihm Zeit gegeben? Und selbst hast du ein Jahr gebraucht, bis du sagen konntest: ›Stefan, ich habe mich entliebt?‹ Das ging bei mir schneller.«
»Du hast keinen Haushalt und keine kleine Tochter.«
»Stimmt.« Mein Pa, der Esel zwischen zwei Heuhaufen - ich fass es nicht! »Dann ging es Pa wie mir. Und dir ging es wie Emir und Ignaz. Trotzdem … Ich verstehe nicht, weshalb ihr euch nicht an den Tisch setzen und die Sache ausdiskutieren konntet.«
»Wir haben uns oft an den Tisch gesetzt«, entgegnete meine Ma. »Wir haben diskutiert, und immer hat Stefan mir versprochen, sich für die Familie zu entscheiden. Leider ist er ein ums andere Mal umgekippt.«
»Das verstehe ich auch. Eine Weile lang denkt man nämlich, man könne zwei lieben. Klar, ein Esel kann mal ein Büschel Heu aus dem einen Haufen ziehen, dann aus dem anderen … und so weiter und so fort. Bei Menschen ist das anders. Emir hätte bei ›Ich bin ein Büschelchen Heu‹ nicht mitgemacht und Ignaz auch nicht.«
»Ich auch nicht«, bestätigte meine Ma. »Was hättest du getan, Zippi?«
»Ich hätte viel früher die Fliege gemacht. Allerdings hätte ich meine Tochter mitgenommen. Warum hast du mich nicht mitgenommen?«
»Mit der Stadt hättest du auch die Schule wechseln müssen,
du hättest deine Freunde verloren, dein Heim, einfach alles. Dazu kam, dass ich mich in meinen Beruf einarbeiten musste und wenig Zeit für dich gehabt hätte. Ich wollte dir das alles nicht auch noch zumuten.«
»Ich hätte sogar Marta verloren.« Das wäre ein echter Hammer gewesen! Eine fremde Stadt, eine fremde Schule, eine fremde Klasse - und das alles ohne meine beste Freundin! »Bleibt die Frage, weshalb ihr mir das nicht gesagt habt«, erinnerte ich meine Ma.
»Du musstest bei deinem Vater bleiben. Aber hättest du von den Umständen gewusst, hättest du ihn vielleicht nicht mehr so geliebt wie …«
»Ich hätte ihn gehasst!«
»Siehst du.«
Endlich kapierte ich so ziemlich alles. »Deshalb haben alle dichtgehalten! Martas Vater und Mutter, Oma Sevde und sogar Cas’ Eltern!«
Es dauerte lange, bis ich über das Gesamtpaket nachgedacht hatte. Darüber sank die Sonne hinter die Berge, die Dämmerung kroch aus dem Tal herauf und die Rehe kamen aus dem Wald. Es war genau so, wie ich es mir immer gewünscht, erträumt und ersehnt hatte. Bis auf die Tatsache, dass meine Tränendrüsen eingerostet waren.
Mit der Dunkelheit kam auch die Kälte, aber bevor wir die Leiter hinunterstiegen, fragte ich meine Ma, ob sie einen Freund hätte.
»Nein.«
Sie sagte dieses NEIN so entschieden, dass ich sicher bin, es ist die Wahrheit.
Plötzlich hatte ich eine Idee. Leute, ich hatte plötzlich die tollste Idee aller Zeiten! Ich dachte, da mein Pa irgendwann mal so viel Mut zusammengekratzt hatte, dass er seiner Freundin
sagen konnte, er hätte sich entliebt … Hmhmhm. Ja … dann! Dann gab’s Möglichkeiten!
Aber so wie ich die Erwachsenen kannte, waren die nicht in der Lage, die Möglichkeiten wahrzunehmen. Ich seufzte. Ich, Zippi, musste wohl mal wieder mein Leben und das meiner Familie in die Hand nehmen, um uns allen zum Glück zu verhelfen.
Aber wie sagen Oma Sevde und Zenza immer? Nur nichts überstürzen. Manchmal kommt man mit einem kleinen Umweg schneller ans Ziel als auf dem direkten Weg.
Bereinigte Verhältnisse
M eine Ma verabschiedete sich am Weg, der ins Dorf führt; sie hatte sich für ein paar Nächte ein Zimmer in der »Pension Edelweiß«
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