My Story - Streng geheim - Kein Kuss fuer Finn
gehen?«
Höchstens mit einem Heiratsantrag und dem Wunsch, eine Familie zu gründen, hätte er mich noch mehr überfahren können als damit. Ich schnappte überrascht nach Luft und hätte um ein Haar »Ja« gesagt, als mir das Bröckchen Vernunft, das in meinem Hirn unter seinem Blick nicht zu Brei geworden war, zurief: Keine Freunde!
»Ich muss nachsitzen«, sagte ich schnell und riss meinen Blick von seinen Grübchen los, um auch den Rest meines Hirns wieder funktionstüchtig zu bekommen.
»Wie wäre es dann nächste Woche?«
»Also ehrlich«, sagte ich, zu feige ihm ein Nein um die Ohren zu hauen, »jetzt wo der Winter kommt, willst du Eis essen gehen.« Merkte er denn nicht, dass ich nicht wollte?
Nein, tat er nicht. Stattdessen lachte er. »Winter? Charlie, wir haben Altweibersommer und drauÃen hat es beinahe dreiÃig Grad!«
»Das kann nächste Woche schon ganz anders aussehen.«
Einen Moment betrachtete er mich derart eingehend, dass ich beinahe doch noch »Ja!« geschrien hätte, dann jedoch sagte er: »Du willst nicht, oder?«
Doch! »Nein.«
»Aus dir werde ich einfach nicht schlau«, seufzte er. »Ich habe ständig das Gefühl, dass du Dinge sagst und tust, die du gar nicht so meinst.«
»Das liegt an deinem gekränkten Stolz. Das geht vorbei.« Bevor er etwas darauf erwidern konnte, machte ich kehrt. Obwohl ich mir fest vorgenommen hatte, es nicht mehr zu tun, floh ich ins Mädchenklo. Ich stürmte an Pannen-Anne vorbei, die gerade auf dem Weg nach drauÃen war, und schloss mich mit klopfendem Herzen in eine der Kabinen. Was machte dieser Kerl mit mir, dass sich die Schmetterlinge in meinem Bauch gar nicht mehr beruhigen wollten?
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Nach einem halbwegs gelungenen Restschultag, was in erster Linie bedeutete, dass mich Finn zwar anstarrte, aber nichts mehr zu mir sagte, ertönte endlich der Schlussgong. Während es alle eilig hatten, ins Wochenende zu kommen, packte ich gemächlich meine Sachen zusammen. Ich stopfte gerade meinen Ordner in die Tasche, als Lukas neben mir stehen blieb. Am liebsten hätte ich ihn angebrüllt, er solle verschwinden und mich in Ruhe lassen. Gleichzeitig wollte
ich ihn packen und so lange schütteln, bis er mir sagte, was er mit dem iPod gemacht hatte.
»Dass ich deinetwegen nachsitzen muss, wirst du büÃen«, zischte er, machte schwungvoll kehrt und rauschte davon.
Toll! Danke! Als ob ich seinetwegen nicht schon genug Stress hatte, konnte ich mich jetzt gleich auf noch mehr Ãrger einstellen. Offensichtlich war damit das Kriegsbeil endgültig ausgegraben.
Das Nachsitzen fand im Zimmer nebenan statt, wo sich vier weitere Schüler aus anderen Klassen wegen besonderer Verdienste einfinden durften. Lukas hatte sich einen Platz ganz hinten gesucht und saà bequem zurückgelehnt, mit ausgestreckten Beinen auf seinem Stuhl. Vor ihm standen zwei Jungen, die ich auch in den Pausen schon öfter bei ihm gesehen hatte. Typische Lukas-Gefolgsleute in Baggy-Pants, bunten T-Shirts und mit Baseballmützen auf dem hohlen Schädel. Als ich hereinkam, sagte Lukas etwas zu den beiden. Daraufhin drehten die sich kurz zu mir um und musterten mich von oben bis unten, ehe sie sich mit breitem Grinsen wieder abwandten.
Der Vierte im Bunde war ein Junge aus der Parallelklasse. Ein pausbäckiger Kerl mit viel zu engen Jeans, über deren Bund ein Bauch hervorquoll, der durch das eng anliegende T-Shirt nicht zu übersehen war. Ich hatte ihn schon ein paar Mal auf dem Pausenhof gesehen. Das war der Typ, dem Lukasâ Kumpels an meinem ersten Schultag den Rucksack abgenommen und damit FuÃball gespielt hatten.
Während die anderen es sich hinten bequem machten, saà er in der ersten Reihe. Er hatte den Blick auf seinen Tisch gerichtet und sah auch nicht auf, als ich an ihm vorbeiging und hinter ihm - weit weg von Lukas - einen Platz bezog.
Ich saà kaum, da kam schon die Fechtner zur Tür herein.
Sie knallte ihre Tasche auf das Pult und warf einen Blick in die Runde.
»Alle da«, murmelte sie, griff nach einem Stück Kreide und kritzelte Seitenzahlen und Aufgabennummern an die Tafel. »Nehmt euer Mathematikbuch und erledigt die Aufgaben, die ich euch hier notiert habe. Wer früher fertig ist, macht einfach mit den nächsten weiter.«
Hinter mir brummte Lukas etwas Unverständliches. Die Fechtner kannte ihn
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