My Story - Streng geheim - Sechs Kuesse für Lulu
gehört.
»Heute bleibt die Küche kalt«, erklärte er. »Wir gehen in das neue Restaurant, das gerade aufgemacht hat.«
Jetzt erst sah ich, dass er sich bereits umgezogen hatte. Dunkelblaue Jeans und ein blütenweiÃes Hemd! AuÃerdem die neuen Turnschuhe, unten braun und oben weiÃ, ein bisschen wie die Mafiosi-Treter in einem schlechten amerikanischen Film. Er meinte es also durchaus ernst.
»Ein australisches Restaurant«, flötete meine Mutter. »Mit australischen Spezialitäten!«
»Und es ist Eröffnungswochenende«, ergänzte mein Vater. »All you can eat für fünfzehn Euro, Kinder zahlen die Hälfte!«
(Er meinte es sogar sehr ernst!)
»Was genau sind australische Spezialitäten?«, wollte ich wissen. »Denkt dran, ich bin Vegetarierin!«
»Es wird schon irgendwas ohne Fleisch geben, Fisch zum Beispiel!«
»Ich esse auch keinen Fisch!«
»AuÃerdem hat dein kleiner Bruder es sich so sehr gewünscht«, versuchte mich meine Mutter zu überzeugen. »Und er freut sich so darauf, also mach ihm die Freude nicht kaputt, ja? Und schlieÃlich wolltest du ja auch meine Lasagne nicht«, konnte sie es nicht lassen, noch anzumerken.
Komisch, dachte ich, mich fragt keiner, was mir Freude machen würde! Und nur weil ich mal ganz vorsichtig darauf hingewiesen hatte, dass Lasagne nicht wirklich vegetarisch wäre, war gleich wieder die groÃe Beleidigtsein-Arie angesagt. Im Ãbrigen fand ich auch, dass es langsam genug Belohnungen waren, die Moritz abgestaubt hatte. Und das alles, nur weil er versprochen hatte, auf Dirkis neue Fernsehshow zu verzichten. Im gleichen Moment beschlich mich allerdings ein fürchterlicher Verdacht! Konnte es sein, dass mein kleiner Bruder noch durchtriebener war als... Birdie zum Beispiel?
»Wie heiÃt das neue Restaurant eigentlich?«, fragte ich.
»Australian Jungle Camp«, antwortete meine Mutter arglos in ihrem besten Englisch.
Ich blickte zu meinem Vater hinüber.
Ich konnte fast hören, wie die Zahnrädchen in seinem Gehirn klickten und klackten.
»Stimmt irgendwas nicht?«, fragte meine Mutter besorgt.
»Nein, nein«, antwortete ich schnell. »Ist schon okay. Jungle Camp klingt doch gut! Ich hoffe nur, dass Moritz nicht denkt, in Australien würde es kleine Eisbären geben...«
»Er ist zwar erst acht«, sagte meine Mutter deutlich gereizt, »aber er ist nicht doof! Er weià genau, dass es Eisbären nur in der Antarktis gibt... äh, in der Arktis, meine ich! Wo denn nun? Ach, du bringst mich ganz durcheinander...«
(Sie ist Mathelehrerin!)
»Oben«, sagte ich. »Nicht unten. Unten sind die Pinguine.«
»Klar, das meinte ich ja auch...«
Mein Vater räusperte sich, als wären die Zahnrädchen in seinem Kopf endlich eingerastet. Und als wollte er uns jetzt das Ergebnis mitteilen. Aber ich fand, dass er ruhig auch mal ein wenig leiden sollte. Zur Strafe dafür, dass er sich von seinem eigenen Sohn ganz offensichtlich hatte austricksen lassen.
Also lieà ich ihn gar nicht erst zu Wort kommen, sondern stürmte nur in den Flur und brüllte: »Moritz! Wir gehen!«
Und dann gingen wir. Das Restaurant war ungefähr eine Viertelstunde entfernt. Aber wir brauchten mindestens eine halbe Stunde. Weil wir zwischendurch an dem China-Restaurant vorbeikamen. Und mein Vater sich vor der Speisekarte aufbaute und sagte: »So teuer ist es hier eigentlich auch nicht, was meint ihr?« Und bei dem Griechen zwei Ecken weiter erklärte er: »Griechisch waren wir eigentlich auch schon lange nicht mehr essen.« Den letzten Versuch unternahm er bei dem Italiener: »Beim Italiener gibt es immer leckere Salate. Voll vegetarisch und so!«
»Sag mal, kannst du nicht vielleicht einmal konsequent sein?«, regte sich die Mathelehrerin in unserer kleinen Familie auf. »Wir wollten zum Australier und wir gehen zum Australier!«
Vor dem Eingang zum »Australian Jungle Camp« war ein Jeep geparkt. Das heiÃt, geparkt ist der falsche Ausdruck, der Jeep war halb im Boden verbuddelt. Mit der Vorderachse jedenfalls. So als wäre er in ein Matschloch gefahren und stecken geblieben. Im Ãbrigen war der Jeep auch ziemlich verbeult und mit Dreck bespritzt. Und der eine Scheinwerfer war zersplittert. So als hätte der Fahrer vor Kurzem erst eine Auseinandersetzung mit einem Känguru gehabt. Eigentlich
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