My Story - Streng geheim - Traumtaenzer gesucht
gefragt, und als der Ober dann komisch geschaut hat, haben wir uns ausgeschüttet vor Lachen.
Ich frage mich, was Papa zu meinem Verhalten eben bei Ix gesagt hätte. Ob er mich verstanden und getröstet hätte, so wie er es immer getan hat? Ohne ihn fühle ich mich so wahnsinnig allein. Na ja, nicht ganz allein, zum Glück gibt es noch Sonny. Ich werde ihr sofort eine ausführliche Mail schreiben. Bestimmt fällt sie vom Hocker, wenn sie liest, was mir in nur vierundzwanzig Stunden alles passiert ist.
15. Thereâs more to life than love (Anna Karenina)
N achdem ich Sonny eine lange Mail geschickt habe, tigere ich unruhig durch die Wohnung.
Mama ist, während ich bei Ix war, verschwunden, und wieder liegt kein Zettel da, auf dem steht, wo sie hingegangen ist. Ob sie diesen Konrad trifft? Ob Paps das stören würde? Ich glaube nicht, nach fünf Jahren.
Vielleicht hat sie gestern Abend die Katze aus dem Sack gelassen und mir gesagt, dass ich nicht für die Bühne tauge, weil sie plötzlich auch mehr Zeit für sich selbst braucht?
Ich nehme einen Zitronenjoghurt aus dem Kühlschrank - was für ein öder Ersatz für ein leckeres Eis -, gehe wieder zurück in mein Zimmer und schaue im Computer nach, ob eine Antwort von Sonny da ist, obwohl ich das für sehr unwahrscheinlich halte, weil es bei ihr ja schon nach elf Uhr abends ist.
Aber noch bevor ich den Joghurt ausgelöffelt habe, bekomme ich eine Mail von ihr. Endlich habe ich nach all dem Horror mal wieder ein bisschen Glück. Sie will skypen statt schreiben, weil das schneller geht und sie mir so viel zu sagen hat. Umso besser! Ihre Stimme klingt dann zwar ein bisschen wie die einer Roboterfrau, aber es ist toll, sie zu sehen. Es fühlt sich an, als wäre sie gar nicht am anderen Ende der Welt.
Trotz meiner Mails mit den Hiobsbotschaften strahlt sie über das ganze Gesicht. Sie ist braun gebrannt und unter ihrer schwarz geränderten Brille schält sich die Haut auf ihrer Stupsnase.
»Hi Nele«, sagt sie und hält beide Daumen hoch. »Es könnte doch gar nicht besser für dich laufen!«
»Hä?«
»Stell dich nicht dümmer, als du bist! Kein Balletttraining mehr, keine Isa, kein Ix - jetzt hast du endlich genug Zeit, dich auf die Prüfung in der Musicalschule vorzubereiten.«
»Du bist echt grausam. Ich schütte dir mein Herz aus, erzähle dir, wie schrecklich es ist, dass Ix mich jetzt hasst, und du findest das wunderbar. Du spinnst!«
»Klar spinne ich!« Sie dreht ihren Zeigefinger vielsagend vor ihrer Stirn und grinst dazu. »Wenn du hier in dieser Einöde gefangen wärst, würdest du auch anfangen zu spinnen. Mann, Nele, das mit Ix ist natürlich traurig, aber da kannst du jetzt gar nichts tun. Er muss selbst draufkommen, dass er sich mit Isa in was verrannt hat. In der Zwischenzeit könntest du daran arbeiten, sicherer vor Publikum zu werden. Oder nicht? Hey, wenn du dich dann richtig gut auf der Bühne fühlst, kannst du Ix auch noch mal fragen, ob du in seiner Band singen darfst!«
Sie springt auf und verschwindet aus dem Radius der Kamera, kurze Zeit später ist sie wieder zurück.
»Hab nur die Tür richtig zugemacht, damit Mama mich nicht hört. Sie rastet aus, wenn sie merkt, dass ich noch nicht schlafe. Ich muss morgen ein Referat halten über das Leben in Deutschland, und sie will, dass ich da superfit bin.« Sonny verdreht die Augen. »Mütter!«
Gerade als ich etwas sagen will, redet sie schon weiter. Manchmal ist dieser Effekt beim Skypen ein bisschen lästig,
man muss warten, bis der andere ausgeredet hat und sogar noch länger, bevor man selbst sprechen kann, sonst überschneiden sich die Sätze.
»Also, Nele, reden wir wieder über dich. Ich habe ein paar Ãbungen für dich rausgesucht, solche, die ich kapiert habe. Mein Englisch ist immer noch nicht perfekt, leider. Ich glaube, diese exercises können dir dabei helfen, deine Schüchternheit zu überwinden.«
»Glaubst du wirklich, dass ich es jemals auf eine Bühne schaffen werde? Da wärst du die Einzige.«
Sie schüttelt ungehalten ihren Kopf, sodass die Lichtreflexe auf dem Glas ihrer Brille silbrig in die Kamera blitzen.
»Das Einzige, was du dich fragen musst, ist, ob du an dich glaubst.«
»Ich weià nicht mehr, was ich glauben soll.«
»Uff, gut«, stöhnt sie, schlingt sich eine ihrer
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