My Story - Streng geheim - Verrueckt nach Mark
wieder zum Dienst muss. Aber dem ist nicht so. Das Telefon, dessen Läuten am Samstagmorgen meist nichts Gutes bedeutet, bleibt stumm. (Und das liegt nicht daran, dass ich das Kabel aus der Wand gerissen habe.)
Kein unerwarteter Dienst also! Mama kann ihr Versprechen einlösen!
Meine Freude wird allerdings ein wenig durch die Tatsache getrübt, dass sich Bine immer noch nicht gemeldet hat. Spinnt vielleicht das Netz? Oder haben es sich ihre Eltern anders überlegt und sind über die Grenze nach Ãsterreich gefahren?
Bines Vater ist so eine spontane Aktion nicht zuzutrauen, aber vielleicht hat sich die Mutter durchgesetzt und das Volksmusikhaus als zu langweilig befunden.
Nachdem ich eine Zeit lang gewartet habe, stecke ich das Handy in meine Tasche. Wenn wirklich noch eine verspätete Nachricht kommt, wird mich das Vogelgezwitscher schon darauf aufmerksam machen.
Obwohl ich vermute, dass wohl keine Nachricht da sein wird, laufe ich zum Briefkasten. Wir haben Werbung bekommen, aber keinen Zettel von Mark. Ich spiele kurz mit dem Gedanken, zum Tante-Emma-Laden zu gehen, aber da die Gelegenheiten, mit Mama ungestört shoppen zu gehen, ziemlich rar sind, will ich sie nicht zu einem Umweg überreden.
Nach einem kurzen Pancakefrühstück fahren wir also nach Mitte. Der Alexanderplatz und alle umliegenden Stra Ãen quellen über vor Leuten. Die Weltzeituhr, die früher mal ein bekanntes Wahrzeichen des Ostteils der Stadt war, sieht jetzt ziemlich marode aus, eindrucksvoll ist sie aber immer noch. Und sie geht genau. Obwohl ich sie schon so viele
Male gesehen habe, finde ich ihren Anblick immer wieder klasse.
Ganz in der Nähe gibt es ein Einkaufzentrum, das wir uns als Erstes vornehmen. Hier schätze ich die Gefahr, dass Thomas wieder auftaucht und mich ans Eisessen erinnert, als sehr gering ein.
»Also, dann wollen wir mal«, sagt Mama und zieht mich in einen der bunten Modeläden, aus dem uns laute Technomusik entgegendröhnt. Man könnte meinen, dass sie in ihrem Alter eher auf seriöse Klamotten steht. Aber Mama macht es einen HeidenspaÃ, in den Teilen herumzuwühlen. Ob nun gerade enge Hosenbeine und weite angesagt sind, ist egal, sie lässt sich von nichts abschrecken. Und bei ihrer Figur kann sie es auch tragen. Von dem ganzen Laufen in der Klinik bleibt sie immer schön schlank. Ich hoffe sehr, dass meine Figur irgendwann auch so gut wird. Ich habe keine Ahnung, wie mein Vater im Moment aussieht, aber ich hoffe, dass er nicht rund wie ein Pfannkuchen ist.
Wir stürmen in einen Laden, der keine Klamotten über GröÃe 36 hat, das merken wir aber erst, als wir die schicken Teile durchsucht und nichts gefunden haben, in das wir auch im Entferntesten reinpassen. Beim nächsten Laden sieht es etwas besser aus, die Teile sind zwar nicht ganz so schrill, aber trotzdem schick, und es sind auch noch GröÃen da, in die nicht nur Models reinpassen.
Mama und ich verschwinden in verschiedenen Umkleidekabinen und kommen dann raus, um der jeweils anderen das momentane Outfit zu zeigen. Unsere Modenschau untermalen wir mit seltsamen Posen, worauf uns die Verkäuferinnen anschauen, als hätten wir sie nicht mehr alle. Doch einschreiten können sie nicht, denn vor der Kasse hat sich eine lange Schlange gebildet, und da eine Frau für das
Abkassieren und die andere für das Eintüten zuständig ist, können sie sich nicht um uns durchgeknallte Hühner kümmern.
Da man uns hier in Ruhe lässt, nehmen wir tatsächlich etwas mit, von dem ich hoffe, dass es uns auch noch gefällt, wenn wir wieder zu Hause sind. Die Musik hier drin und das Licht und Glitzern trüben nämlich manchmal die Wahrnehmung. Wenn man dasselbe Teil, das man inmitten dieses Glamours toll gefunden hat, im trüben Licht des eigenen Zimmers anprobiert, ohne Glitzer und Techno, dann kommt manchmal das böse Erwachen, und man findet es einfach nur grässlich.
Aber das werden wir ja sehen. Meine Laune ist gerade viel zu gut, um darüber nachzudenken.
Nachdem wir noch eine Drogerie und einen Schreibwarenladen abgeklappert haben, machen wir uns auf die Suche nach einem Café. Leider ist das Bretzel von hier zu weit entfernt, und da uns ohnehin schon die FüÃe brennen, kann es auch ein anderes Lokal sein. (Wenngleich ich meine Idee, Mama die Himbeertorte im Bretzel kosten zu lassen, nicht aufgeben werde!)
Zum Mittag Eis oder Kuchen zu essen, hat
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