Myanmar - Stefan Loose Reisefuehrer
aufs Schärfste.
Politische Stabilität versuchte SLORC dadurch zu erreichen, indem es jegliche Opposition im Keim erstickte und gegen politische Gegner hart vorging. Die Annäherung mit der VR China hatte eine massive militärische Aufrüstung zur Folge. Die Streitkräfte
(tatmadaw)
wurden auf über 400 000 Soldaten vergrößert. Dadurch gerieten die zahlreichen Armeen der Minderheiten und Splittergruppen in die Defensive. Über 20 Unabhängigkeitsorganisationen und Rebellenarmeen schlossen mit dem SLORC ein Waffenstillstandsabkommen, was zur Befriedung weiter Teile Birmas führte. Doch dort, wo gekämpft wird – in den von der Karen NationalUnion (KNU) kontrollierten Gebieten an der thaibirmanischen Grenze und im östlichen Shan-Staat gegen die Shan State Army (SSA) – kommt es nach wie vor zu brutalsten Übergriffen gegen die einheimische Bevölkerung. Erzwungene Trägerdienste, systematische Vergewaltigungen und Vertreibung gehören zu den Mitteln der Gewalt. Zwischen 1 und 2 Mio. Menschen wurden vertrieben, über 150 000 flohen nach Thailand.
Alte Köpfe, neue Kleider
Seit 1997 ist Birma Mitglied der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN), im gleichen Jahr nannte sich die Regierung in das freundlicher klingende State Peace and Development Council (SPDC) um. Außer dem Namen änderte sich jedoch nichts, zu groß war die Angst des Militärs vor Veränderungen – und vor sich selbst: Als der Chef des Geheimdienstes, Premier Khin Nyunt, zu mächtig wurde, ließ ihn der oberste General, Than Shwe, im Oktober 2004 mitsamt seinem Spitzelapparat inhaftieren.
Doch der von Khin Nyunt erarbeitete „Wegweiser zu einer gelenkten Demokratie“ wurde weiter verfolgt. In sieben Schritten sollte die verfassungsgebende Versammlung eine Konstitution erarbeiten, die, von einem Referendum verabschiedet, zu „freien und fairen“ Parlamentswahlen führen würde.
In ihrem Sicherheitswahn gründeten die Militärs 2006 im Herzen des Landes ihre neue Hauptstadt Nay Pyi Taw. Vor dort ordneten sie ein Jahr später die brutale Niederschlagung demonstrierender Mönche an, die in mehreren Städten auf die Straße gegangen waren, um gegen die Willkür der Junta zu demonstrieren. Als am 1. Mai 2008 der Zyklon Nargis mit bis zu 215 km/h über das Ayeyarwady-Delta und Yangon hinwegfegte und nicht nur verheerende Zerstörungen anrichtete, sondern mindestens 138 000 Menschenleben forderte, verhinderte das Militär aus Angst vor Kontrollverlust in den betroffenen Gebieten ein stärkeres Engagement ausländischer Hilfsorganisationen. Trotz der Katastrophe ließen die Generäle in einem Referendum kurze Zeit später über die Konstitution abstimmen. Dass fast 94 % der Wähler für die umstrittene Verfassung gestimmt haben sollen, bestätigte die Furcht, dass die geplanten Wahlen weder frei noch fair vonstatten gehen würden.
Boykottiert von Suu Kyis NLD, fanden die umstrittenen Wahlen von Vertretern der beiden Kammern sowie über 14 Regionalparlamenten schließlich am 10. November 2010 statt. Insgesamt 37 politische Parteien traten an, darunter mit der National Democratic Force (NDF) eine Splitterpartei der NLD und die von den Militärs geführte Union Solidarity and Development Party (NSDP). Erwartungsgemäß siegte die NSDP haushoch: 76,79 % der Stimmen für die Nationalitätenkammer und 78,49 % der Stimmen für das Parlament. Zum ersten „zivilen“ Präsidenten seit 50 Jahren wurde ein alter Bekannter gewählt: der einstige General und Premier Thein Sein.
Doch für den siebten Schritt, der eine „moderne, entwickelte und demokratische Nation“ vorsieht, nutzt es nichts, wenn die Militärs nur ihre Uniform ablegen. Dafür muss sich die gesamte politische Kultur radikal ändern. Ob es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Entsprechende Signale sind derzeit nicht zu erkennen.
Nay Pyi Taw: die neue Hauptstadt
Am 6. November 2005 um 6.36 Uhr war es so weit. Die ersten Transporter verließen Yangon, um ins 390 km weiter nördlich gelegene Pyinmana zu fahren. Dort wurden die ersten Ministerien bezogen. Seit dem 27. März 2006 heißt der Ort offiziell Nay Pyi Taw, „Stadt der Könige“. Was die Militärs dazu bewogen hat, den Regierungssitz zu verlegen, ist Anlass zahlreicher Spekulationen. Aus Angst vor einer US-Invasion sei dies geschehen, ist eine These. Aus Aberglaube des paranoiden Generals Than Shwe, eine andere. Fakt ist, dass Nay Pyi Taw nicht „mitten im Dschungel“ liegt, wie Medien anfänglich berichteten, sondern dort, wo
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