Mylady Adelshochzeit 01
eilig hatte, sein Ziel zu erreichen, fiel es schwer sich in Geduld zu üben, während er darüber nachdachte, welche Grille sich Charlotte nun wieder in den Kopf gesetzt hatte. Er hatte ihr doch erklärt, dass er seinen Anspruch fallen lassen wollte. Konnte es sein, dass sie seine großzügige Geste aus lauter Dickköpfigkeit noch zu übertreffen suchte? Nie hatte er eine widersprüchlichere Frau getroffen!
Am zweiten Tag löste sich der Nebel allmählich auf, und der Kutscher, der die verlorene Zeit wieder wettmachen wollte, ließ die Pferde galoppieren. Tags darauf kamen sie um sieben Uhr morgens mit einigen Stunden Verspätung in Shrewsbury an.
Sobald ihre Koffer ausgeladen waren, mieteten sie sich Pferde und nahmen, wie am Tag ihrer Ankunft im Frühjahr, den Weg über die Hügel nach Amerleigh. Auf der Kuppe hielt er kurz inne und warf einen Blick auf Mandeville, das sich in der Ferne ins Tal schmiegte. Als sie auf der anderen Seite des Hügels schließlich die Straße von Scofield nach Amerleigh erreichten, kam ihm wieder die Nacht von Lady Gilfords Ball und Charlottes Fest in Erinnerung. Hatte er sich damals schon in sie verliebt? Er hätte es sicherlich nicht zugegeben, und hätte man es ihm gegenüber erwähnt, hätte er denjenigen ausgelacht. Den Wildfang heiraten! Vor sechs Jahren war er gegangen, um genau das zu vermeiden; nie hätte er gedacht, dass er den Wunsch seines Vaters doch noch erfüllen würde. Allerdings würde er sie zunächst zur Rede stellen, warum sie ihm Browhill so unverhofft überließ. Plötzlich konnte er nicht mehr länger warten.
„Reite voraus“, wies er Travers an. „Ich habe einen Besuch zu machen.“ Er wendete sein Pferd und ritt zurück in Richtung Mandeville.
Lady Ratcliffe lag noch im Bett, und so saß Charlotte allein in der Bibliothek, als ein Lakai eintrat, den Earl of Amerleigh meldete und fragte, ob sie ihn empfangen wolle. Ohne ihre Antwort abzuwarten, trat Roland ein. „Guten Tag, Miss Cartwright.“ Er gab dem Bediensteten seinen Hut, der daraufhin das Zimmer verließ und die Tür hinter sich schloss.
Sie stand auf und knickste. „Mylord. Ich wusste gar nicht, dass Sie wieder zu Hause sind.“
„Ich bin eben erst angekommen.“
„Bleiben Sie auch?“
„Oh ja, ganz bestimmt.“
„Das freut mich.“
„Tatsächlich?“ Er trat näher an sie heran, ergriff ihre Hände und schaute ihr forschend ins Gesicht. Ihre grünen Augen strahlten, und ihre Wangen leuchteten rosig.
„Ja“, sagte sie, zog ihre Hände zurück und verbarg sie in den Falten ihres Kleides aus zitronengelber Seide, das sie statt ihres gewohnten grauen Rockes trug, weil sie Lady Amerleigh später einen Besuch abstatten wollte. „Haben Sie Captain Hartley getroffen?“
„Ja. Er wollte Dr. Masterson aufsuchen.“
„Gut. Ich habe mit Lady Amerleigh über die Schule für gehörlose Kinder gesprochen. Wenn Sie erst mehrere Schüler haben, kann der Unterricht nicht länger im Schulzimmer von Amerleigh Hall stattfinden. Ich besitze ein Farmhaus auf meinem Anwesen, das seit Kurzem leer steht. Nun da Sie zurück sind, können Sie es sich ansehen und mir sagen, was Sie davon halten. Natürlich müssen wir warten, bis Captain Hartley zurückkehrt. Zwischenzeitlich könnten wir aber mit den nötigen Änderungen beginnen.“ Sie plapperte ohne Unterlass, nahm sich kaum Zeit, um Atem zu schöpfen.
„Charlotte, hör bitte auf, von der Schule zu plaudern“, sagte er ungeduldig. „Ich habe ein Hühnchen mit dir zu rupfen …“
„Oh.“
„Ja. Wenn du glaubst, dass ich meinen Namen unter dieses Dokument setze, das du mir hast schicken lassen, täuschst du dich. Ich habe den Rechtsstreit fallen lassen und ich will Browhill nicht. Warum kannst du das nicht akzeptieren? Musst du immer das letzte Wort haben?“
„Ich konnte das Land nicht länger behalten, nachdem …“ Sie schluckte schwer und fuhr rasch fort, bevor sie der Mut verließ: „Dein Vater hatte recht, man hat ihn um das Land betrogen.“
Die Nachricht lenkte ihn von dem, was er ihr eigentlich hatte sagen wollen, ab. „Woher weißt du das?“
Sie ging zum Schreibtisch in der Ecke des Zimmers und kam mit einem Stück Papier zurück. „Lies das.“
Er überflog die Seite rasch. „Und?“
„Schau dir das Datum an. Erinnerst du dich noch, wann der Ball stattfand?“
„Ja.“
„Und weißt du, wann mein Vater in den Besitz von Browhill gelangte?“
„Nein.“ Sie gab ihm Rätsel auf.
„Drei Wochen nach dem Ball.“ Sie
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