MYLADY SOMMERBAND Band 03: HERZKLOPFEN IM ROSENGARTEN / LADY ODER KURTISANE? / (German Edition)
musste ihm folgen: quer durch die Eingangshalle, dann einen Flur entlang und schließlich in einen kleinen Salon. Hier endlich ließ Fisher sie los und legte verschwörerisch den Finger an die Lippen. Dann streckte er den Kopf zur Tür hinaus und schaute nervös nach links und rechts.
„Bleiben Sie hier, und rühren Sie sich nicht vom Fleck, Miss Georgina“, bat er sie eindringlich. „Ich werde Sir Arthur sogleich Bescheid geben.“
Beunruhigt über das seltsame Benehmen des alten Butlers, trat Georgina zum Fenster, das sich, wie sie erleichtert feststellte, zu einer belebten Straße hin öffnete. Kutschen rollten vorbei, aber es waren auch vereinzelt Reiter und viele Fußgänger unterwegs. Junge Damen mit pastellfarbenen Sonnenschirmen, Gentlemen in heller Sommerkleidung, Dienstboten, die mit Waren beladen vom Markt kamen, ein kleiner Junge im leichten Kittel, den das Kindermädchen fest an der Hand hielt. Im Schatten einer Einfahrt spielten ein paar ältere Knaben mit Murmeln.
Wenn ich laut genug rufe, dachte Georgina, wird mich gewiss irgendwer hören und mir zu Hilfe kommen. Dann schalt sie sich selbst eine dumme Gans. Es war doch sehr unwahrscheinlich, dass ihr ausgerechnet im Hause ihres Onkels Gefahr drohte.
Trotzdem zuckte sie erschrocken zusammen, als sie hörte, wie die Tür des Salons geöffnet wurde. Herein kam ein weißhaariger Gentleman, in dem sie ohne Probleme den älteren Bruder ihres Vaters erkannte. Mit leuchtenden Augen und ausgestreckten Händen eilte er auf sie zu: „Gina, du bist es wirklich! Welche Freude!“
Sie lächelte ihm zu – und da hatte er sie auch schon in die Arme geschlossen.
Es war eine lange, herzliche Umarmung, die damit endete, dass Sir Arthur seine Nichte bat, sich zu ihm aufs Sofa zu setzen und ihm ausführlich zu berichten, was sie hergeführt hatte.
Sie gehorchte und musste, während sie sprach, feststellen, wie das Gesicht ihres Onkels immer trauriger wurde.
„Ich bewundere dich für deinen Mut“, meinte er. „Es kann nicht leicht für dich gewesen sein, dich über die Wünsche deiner Mutter hinwegzusetzen und heimlich herzukommen.“ Betrübt schüttelte er den Kopf. „Ich hatte ja keine Ahnung von euren Schwierigkeiten. Natürlich werde alles in meiner Macht Stehende tun, um euch zu helfen. Allerdings hatte ich gehofft, dein Besuch wäre der Beweis dafür, dass deine Mama mir vergeben hat.“
Einen Moment lang schauten Onkel und Nichte sich schweigend an. Dann straffte Sir Arthur die Schultern. „Am besten leite ich gleich alles Wichtige in die Wege. Fisher soll dir eine Erfrischung bringen, während ich mit deiner Tante rede. Mach dir keine Sorgen mehr, Liebes. Alles wird gut.“
Wenig später waren aus dem oberen Stockwerk des Hauses laute Stimmen zu hören. Offenbar war Lady Cunningham ganz und gar anderer Meinung als ihr Gatte und brachte das auch lautstark zum Ausdruck. Sir Arthur allerdings, der so viele Jahre lang stets nachgiebig gewesen war, zeigte sich von einer völlig unerwarteten Unerbittlichkeit. Vielleicht hatte der Mut seiner Nichte ihn daran erinnert, dass jeder zu seinen Überzeugungen stehen sollte und stehen konnte. Jedenfalls erklärte er seiner Gemahlin in entschiedenem Ton, er werde nicht zulassen, dass sie sich weiterhin zwischen ihn und die Familie seines Bruders stelle.
„Du wirst mich nicht umstimmen“, schloss er, nachdem Lady Cunningham abwechselnd ihn, Georgina und deren Vater beschimpft hatte. „Wenn dir nicht passt, was ich tue, dann möchte ich dir empfehlen, nach London überzusiedeln. Selbstverständlich werde ich meiner Pflicht nachkommen, für dich zu sorgen. Aber ich werde deinetwegen nicht einen Tag länger auf den Kontakt zu Henrys Gattin und Kindern verzichten.“
„Es wäre besser, du würdest dich um deine eigene Familie kümmern, statt dein Geld an Hungerleider zu verschwenden. Dein Bruder hat doch nie etwas unternommen, um sein Los zu verbessern.“
„Es ist richtig, dass er immer ‚nur‘ ein einfacher Landpfarrer war. Aber er wurde von seiner Frau und seinen Kindern geliebt und war bis zu Harrys Tod ein glücklicher Mensch.“
Spöttisch lachte Lady Cunningham auf. „Niemand, der nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, ist glücklich.“
„Nun, das kommt darauf an, was man als ausreichend betrachtet. Ich jedenfalls habe beschlossen, dir dein Nadelgeld zu streichen, wenn du irgendetwas unternehmen solltest, das meinen Plänen entgegensteht.“
Sie wurde blass. „Ich bitte dich
Weitere Kostenlose Bücher