MYLADY SOMMERBAND Band 03: HERZKLOPFEN IM ROSENGARTEN / LADY ODER KURTISANE? / (German Edition)
würde, sie habe sich zur Treppe geschlichen, um ihn zu sehen. Daraus würde er zwangsläufig den Schluss ziehen, dass er ihr etwas bedeutete. Ha! Sie hatte doch nur nachsehen wollen, ob Onkel Arthur kam.
Am liebsten hätte sie laut geflucht. Doch stattdessen schlich sie mit gesenktem Kopf zurück zum Bett und kroch unter die dünne Sommerdecke. Wann würde sie Ned Latimer wiedersehen? Ob er beabsichtigte, die Zeichnung für Sophie persönlich vorbeizubringen? Georgina seufzte. Würde sie überhaupt wagen, ihm noch einmal unter die Augen zu treten? Vielleicht hatte er sie ja gar nicht bemerkt. Immerhin hatte er sich nichts anmerken lassen. Eine überaus nette Geste, sofern er mich doch gesehen hat, dachte Georgina. Nur ein echter Gentleman würde sich so benehmen. Außerdem hatte seine Stimme so besorgt geklungen, als er sich nach ihrem Befinden erkundigte. Bedeutete das, dass er sein abscheuliches Verhalten vom Vortag bereute?
Jemand näherte sich dem Zimmer, und Georgina, die jetzt mit niemandem reden wollte, schloss die Augen. Die Tür wurde geöffnet, die Schritte wurden lauter. Es musste wohl Becky sein. Mit einem leisen Klirren setzte sie etwas auf dem Nachttisch ab.
Georgina schlug die Augen auf und wurde mit einem strahlenden Lächeln belohnt. „Wie schön, dass Sie wach sind, Miss! Ich wollte Sie nicht stören. Sehen Sie, ich habe Ihnen eine Tasse Kräutertee gebracht. Fühlen Sie sich kräftig genug, um sich aufzusetzen? Dann können Sie besser trinken.“
„Ich fühle mich ganz gesund“, beruhigte Georgina sie und stellte im gleichen Augenblick fest, dass das vollkommen der Wahrheit entsprach. Ihre Kopfschmerzen waren urplötzlich verschwunden. Sie verspürte auch keinerlei Anzeichen von Fieber. „Ich denke, ich kann mich jetzt ankleiden“, verkündete sie.
„Auf gar keinen Fall!“, beschied Becky ihr. „Sie bleiben im Bett, bis Ihre Mama Ihnen erlaubt aufzustehen.“
„Aber ich bin hungrig“, protestierte Georgina. „Ich habe nicht gefrühstückt.“
„Sie wissen doch, dass es heißt: Man muss das Fieber aushungern.“ Die Haushälterin legte ihr prüfend die Hand auf die Stirn. „Gut! Allerdings sehen Sie noch ein bisschen blass aus. Ein Tag im Bett kann jedenfalls nicht schaden.“ Damit wandte sie sich zum Gehen. „Seien Sie ein liebes Mädchen. Trinken Sie den Tee, und ruhen Sie sich aus! Später bringe ich Ihnen etwas Hühnerbrühe.“
„Wie großzügig!“, murmelte Georgina, allerdings so leise, dass Becky ihre Worte nicht verstehen konnte. Dann griff sie nach der Tasse und schnupperte an dem Inhalt. Ja, es war, wie befürchtet, die spezielle Kräutermischung der Haushälterin, der sie dann noch Zitronensaft und Brechnuss zugefügt hatte. Bei den Gedanken an den Geschmack schüttelte es Georgina so heftig, dass man hätte meinen können, es herrschten nicht sommerliche Temperaturen, sondern winterliche Eiseskälte.
„Also?“, hörte sie Beckys ungeduldige Stimme von der Tür her.
Sie nahm einen Schluck, musste gegen die aufsteigende Übelkeit ankämpfen, sah, dass die Haushälterin sie noch immer aufmerksam beobachtete, und trank noch einmal. Endlich verschwand Becky, und Georgina seufzte vor Erleichterung auf. Vorsichtshalber wartete sie noch eine Weile, ehe sie aufstand, mit der Tasse zum Fenster ging, dieses leise öffnete und den Tee hinausschüttete. Vielleicht bekommt die Mischung den Blumen ja besser als mir, dachte sie dabei.
Als sie wieder unter der Decke lag, war ihr noch immer ein wenig übel. Wahrscheinlich habe ich es nicht besser verdient, fuhr es ihr durch den Kopf, es ist die gerechte Strafe für mein dummes Benehmen. Und schon drehten ihre Gedanken sich wieder um Ned Latimer.
Im Haus war es sehr still, und die Zeit schien nicht vergehen zu wollen. Als die Übelkeit langsam nachließ, begann Georgina sich zu langweilen. Sie musste im Bett bleiben, wenn sie nicht den Zorn ihrer Mutter heraufbeschwören wollte. Aber in Sophies Zimmer gab es absolut nichts, womit sie sich hätte beschäftigen können. Auf dem kleinen Tisch lag eine zerlesene Ausgabe von Perraults Märchen, die noch aus den Kindertagen ihres Vaters stammte.
Da sie nichts Besseres zu tun hatte, holte Georgina sich das Buch und schlug das Inhaltsverzeichnis auf. Aschenputtel, Dornröschen, Rotkäppchen …
Das genügte, um ihr erneut Ned Latimers Gesicht in Erinnerung zu rufen. Trotz des Regens hatte er so fröhlich gewirkt. Und wie zärtlich er sie angeschaut hatte! Später in der Kirche
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