MyLady Weihnachtsband 2009 Band 18
schloss er mit Blick auf andere Körperregionen. Demnach verbrachte er viel Zeit an der frischen Luft. Gentlemen taten das nicht. Piraten hingegen …
Seine Augen waren blau, aber das hatte er ja schon von dem kleinen Mädchen erfahren. Und kein Wunder, dass es ihn für einen Bären gehalten hatte – er musste sich nicht nur dringend rasieren, er brauchte auch einen Haarschnitt. Unter dem Verband sah dunkles, widerspenstiges Haar hervor. Seine Brauen waren dicht und schwarz und düster. Seine Nase war lang und – er wandte den Kopf – nicht ganz gerade. Anscheinend hatte er sie sich einmal gebrochen. Und auf seiner Haut entdeckte er neben den frischen Wunden mehrere kleine ältere Narben. Insgesamt kein schöner Anblick. Er hatte auch an seinem Körper ältere Narben gefunden. Offensichtlich hatte er mehr als einen Kampf geführt.
Ein schöner Bursche, um von einer Frau aufgenommen und versorgt zu werden – ein raufender, behaarter schwarzbärtiger Pirat! Er hätte es niemandem zum Vorwurf gemacht, einen so schurkischen Gesellen draußen in der Kälte liegen zu lassen, ganz zu schweigen einer alleinstehenden Frau mit kleiner Tochter. Er griff nach dem heißen Wasser und der Seife. Zumindest die Bartstoppeln konnte er entfernen.
„Hältst du mir bitte mal den Spiegel, Prinzessin?“
Eifrig nahm Amy ihn entgegen und sah dabei fasziniert zu, wie er sich das Kinn einseifte und dann Schaum und Bart abrasierte.
„Besser?“, fragte er, als er fertig war.
Sie streckte die Hand aus und strich ihm über die frisch rasierte Haut. „Hübsch“, urteilte sie schließlich, „aber Mr. Bruins Stacheln haben mir auch gut gefallen.“
Er lachte. „Stachelbären gehören nicht ins Haus. Und jetzt möchte ich mich zu Ende waschen, da gehst du lieber nach unten, Prinzessin, und hilfst deiner Mutter. Ich komme auch bald.“
Ellies Kehle war wie ausgedörrt. Sie schluckte trocken, als er sich unter dem niedrigen Türsturz duckte. Er sah plötzlich so … anders aus. Frisch rasiert, ohne die Bandage, das Haar sauber mit Wasser gekämmt. Sein Teint strahlte vor Gesundheit, und in seinen Augen tanzten kleine Teufelchen. Strahlend hob sich das weiße Hemd von seiner gebräunten Haut ab; er hatte die Ärmel fast bis zum Ellbogen aufgerollt. Er hatte es in die ledernen Breeches gesteckt, die zwar nicht ganz hauteng saßen, aber trotzdem …
Das ist albern, sagte sie sich streng. Bei seiner Ankunft hatten sie sicher auch schon eng gesessen. Es lag wohl eher daran, dass sie den Körper unter den Breeches inzwischen kannte, dass sie wusste, wie er sich anfühlte. Erst diesen Morgen hatte er sich an sie gepresst … Ihr wurde schon wieder heiß.
„Setzen Sie sich. Der Tisch ist gedeckt.“ Sie wies ihm seinen Platz an und wandte sich zum Feuer, um den schweren Topf mit duftendem Ragout zu holen.
Ein starker Arm legte sich um ihre Taille, während er ihr mit der anderen Hand den Topflappen abnahm und den schmiedeeisernen Topf vom Haken hob.
„Ich kann das auch tun“, brummte sie und wand sich aus seinem leichten Griff.
„Ich weiß. Aber ich habe Ihnen schon genug Arbeit gemacht. Solange ich hier bin, nehme ich Ihnen so viel ab, wie ich kann.“ Vorsichtig trug er den Topf zum Tisch.
Solange ich hier bin … Die Worte hallten in ihrem Kopf wider. Ja, sobald er das Gedächtnis wiedererlangte, würde er sich verabschieden, zweifellos, um zu Frau und Kindern zurückzukehren. Allen sechs, dachte sie düster.
Schweigend nahmen sie das Mahl ein. Seine Tischmanieren waren tadellos. Er reichte ihr das Brot und das Salz und füllte ungefragt ihren Becher mit Wasser nach. Ellie dachte beim Essen nach. Seine Manieren und sein Akzent legten nahe, dass er von vornehmer Geburt war, aber sein Körper verriet, dass sein Leben ihn körperlich stark beanspruchte. Außerdem kannte er sich mit der Herdstelle aus, vertauschte den Kochtopf geschickt mit dem Wasserkessel und schürte das Feuer auf eine Art, die zeigte, dass er mit Brennholz zu haushalten verstand. Er war der ärmlichen Umgebung völlig gewachsen – wie es kein Gentleman sein würde. Ein Dienstbote konnte sich vielleicht die Manieren und den Akzent aneignen, aber nichts an ihm deutete auf die für einen Hausangestellten charakteristische Unterwürfigkeit. Im Gegenteil, er war ziemlich arrogant und machte, was er wollte, ob sie seine Hilfe nun wünschte oder nicht.
Nachdem sie sich das köstliche Hasenragout hatten schmecken lassen, reparierte er einen klappernden Fensterladen.
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